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Otto Julius Bierbaum
Erlebte
Gedichte . 2. Auflage 1903
Abendgedanken
Ich sitze am Fenster, die Pfeife im Munde,
Zur Seite das Glas mit braunem Biere.
Verhallender Lärm der Strasse tönt
Rauschend ans Ohr mir.
Da drüben, hinter der weissen Gardine,
Da wohnen zwei niedliche, lustige Mädchen;
Blond ist die Eine und lämmlich sanft,
Aber die Braune, die Braune, der Racker,
Hat es gewaltig hinter den Ohren.
Ach, und ich sitze hier so alleine
Und scharmuziere mit ihren Schatten
(Sind vielleicht gar nur die Schatten
Ihres würdigen Elternpaars)....
Herr des Himmels! Ich bin wehmüthig
Wie ein Gänserich nach dem Rupfen.
Hol's der Teufel! Selbst die Wolken
Oben am Himmel machen mich ärgerlich.
Dicht geballt, langweilig, zieh'n sie,
Riesige Himmels-Thränensäcke,
Die tagüber kokett in schmalen,
Duftigen Streifen sorglos lustig
An der Himmelsstrasse flanierten.
Ach, und jetzt löscht gar das Licht aus
Drüben bei dem Schwesternpaare....
Gehen die Vögel früh zu Neste!
Na!
Ganz unzweifelhaft begiebt sich
Langsam, sittsam, ganz unhörbar
Jene Blonde in das Bettchen;
Aber die Braune schwingt sich mächtig,
Dass die Hemdenzipfel fliegen,
In das weiche, elastische Nest...
Unsinn! Unsinn! Wie die Jungfern
Sich zu Bette legen, sinn'st du?
Oh, du kolossaler Esel!
Du bist krank, geh selbst zu Bette,
Schlafe aus und in der Frühe,
Freundchen, nimm ein kaltes Bad.
Otto
Julius Bierbaum . 1865 - 1910
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