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Erlebte Gedichte
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Otto Julius Bierbaum
Erlebte Gedichte . 2. Auflage 1903



Glück im Fluge

S giebt heute recht mässigen Sonnenschein,
Und der Himmel schaut recht ledern d'rein,
Als ob ein Rezensent er wär',
Dem plötzlich fällt das Schimpfen schwer.
Die Strassen sind schon mehr Morast,
Und die Menschen rennen mit alberner Hast;
Wohin Du trittst ist eine Pfütz',
Die Weiblein lupfen das Gewand,
Und dennoch trieft der Unterrockrand -,
Dies Hundewetter ist gar nichts nütz ...
Und doch, und doch, was mag das sein,
In mir lacht leuchtender Sonnenschein,
Wie Kobolde purzeln her und hin
Vergnügte Gedanken in meinem Sinn,
Als käm' ich eben direkt vom Wein,
Als hätt' ich mein Leibgericht gegessen
Und mit guten Freunden zusammengesessen,
Und bin doch so nüchtern, als sein es kann
Zum höchsten ein frömmlicher Muselmann.
Ich möchte die ganze Welt umschliessen,
Und gar nicht würd' es mich verdriessen,
Wenn drunter ein Schock Theologen wäre,
Ja, käme mir selbst ein Kerl in die Quere,
Der sich's erwählt als höchsten Beruf,
Mit witzelndem Hohn und Lug und Spott
In den Koth zu zieh'n, was ein Besserer schuf:
Selbst solch einem Schuft, heut würd' ich, bei Gott,
Mit Lächeln ihm ins Antlitz gucken
Und würde vergessen, auszuspucken. -
Ja, Himmel und Erde, woher der Jubel?
Woher dieser jauchzende Herzenstrubel?
Hat Dame Fortuna mir hold gelacht,
Irgend was Extra-Gut's gebracht?
War einer vielleicht von den löblichen Boten
Herrn Stephans da mit den rosa-rothen
Papieren, die schimmern wie Glücksverheissung,
Und welche benannt sind: Postanweisung?
Ach nein, ach nein, ach nein, ach nein -:
Der Freude Grund muss ein anderer sein. -
Hat irgend ein gütiger Unbekannter
Meine Schulden bezahlt alle miteinander
Und hat mir geschrieben: "In Freundlichkeit
Zu ähnlichen Diensten auch ferner bereit?"
Ach nein, ach nein, ach nein, ach nein -:
Der Freude Grund muss ein anderer sein. -
Oder hat sich vielleicht ein Verleger gefunden,
Der meine Schriften, schön eingebunden,
Dem Publikum will präsentiren
Und pränumerando honoriren?
Ach nein, ach nein, ach nein, ach nein -:
Der Freude Grund muss ein anderer sein. -
Und auch mein Schatz - das könnt' ich noch preisen
Als Glückes-Lächeln in jubelnden Weisen -
Und auch mein Schatz, von Liebe bewegt,
Hat nicht seine Sprödigkeit abgelegt
Und sich mit einem schnellen Schwunge
An die Brust mir geworfen und glühend gehaucht:
"Da bin ich, da nimm mich, mein Herzensjunge!" -
- Und doch bin ich ganz in Freude getaucht...
Und seh' ich nach genau und klar,
Was mir denn Liebes geschehen war,
So muss ich grad offen herausgestehn:
Nichts Sonderliches ist mir geschehn,
Als dass ich ein liebliches Kind gesehn.
Schnell schwand es vorüber im Menschengewimmel
Und leuchtete doch mir ins Herz einen Himmel,
Bracht's fertig mit seinen klar-fröhlichen Blicken,
Meine ganze Trübsal zum Teufel zu schicken.
Eins .. zwei - vorbei! Wie schnell es entschwand,
Das liebliche Bild, ich hab' es gebannt,
Fest eingeschlossen als Talisman,
Dass nicht die grämlichen Stunden nah'n. -
Sonst hat das Glück mir nichts beschieden,
Aber, beim Himmel! ich bin zufrieden.


  Otto Julius Bierbaum . 1865 - 1910






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