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Otto Julius Bierbaum
Erlebte
Gedichte . 2. Auflage 1903
VIII.
In
einer Todtenkammer.
(Untreue.)
Warum bin ich von den grünen Wiesen gegangen und
ging aus der lieben Wärme meiner zwei braunen Sonnen?
Da war des Lebens schenkende Güte, und alle Blumen
blühten da für mich, und wenn auch Qual in meinem Herzen war, vor
lauter Liebe Qual: ich war doch glücklich unter hellen Himmeln, und wenn
ich tief in meine Seele lauschte, vernahm ich leise Geigen und Kinderstimmen.
Frühlingslieder, wenn auch der Herbst mit hohler
Stimme sein hartes Lied, sein Herrscherlied im Todtentanze der dürren
Blätter heulte: Hussah, der Heiland Tod, Hymen, Hymenäus!
Frühlingslieder aus dem Rosengarten des Herzens, in dem die Engel des
lachendenLebens sangen: Deine Liebe sangen und meine... Ach, wie so sanft war
der Sang unsrer Liebe, sanft wie deine Blicke, mein Mädchen. -
Ein Wirbelwind warf mich von grünen Wiesen in
starre, steinerne Strassen.
Die Sonnen versanken, die Blumen verblühten, in
meinem Herzen stiert das Schweigen.
Herberge bot mir der Tod. Ich liege in dunkler Kammer,
ein blasses Weib ruht neben mir: todt, denn es ist ohne Liebe.
Todt, todt, um Gott, mein Herz auch du?
Oh!
Die Kerze flackt, ihre Flamme stirbt, es schwirrt eine
grosse, schwarze Fliege matt im eisig stillen Raume.
Das blasse Weib mit dem wirren Haar und den grünen
Schatten unter den verbuhlten
Augen, - horch, wie sein Athem sich hebt. Oh Leben, wie weltenferne bist du
mir: der Tod, der Tod ruht lauerathmend neben mir.
Lösch aus du letztes Licht in meinem Leben:
heilige Erinnerung.
Ueber grüne Wiesen ein letzter Blick. Sonnen!
Sonnen! Sie löschen aus...
Da thut der Tod an meiner Seite die grünen Augen
auf. Zwei weiche Arme pressen mich wild, zwei giftige Lichter stechen in mein
Herz. Der Hölle Brünste fressen mich. Hussah! der Heiland Tod!
Es rauscht aus weiter Ferne wie ein Lied von
Hunderttausenden, die glücklich sind..
Otto
Julius Bierbaum . 1865 - 1910
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