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Otto Julius Bierbaum
Erlebte
Gedichte . 2. Auflage 1903
Jeanette
I.
Was ist mein Schatz? - Eine Plättmamsell.
Wo wohnt sie? - Unten am Gries,
Wo die Isar rauscht, wo die Brücke steht,
Wo die Wiese von flatternden Hemden weht:
Da liegt mein Paradies.
Im allerkleinsten Hause drin,
Mit den Fensterläden grün,
Da steht mein Schatz am Bügelbret,
Hoiho, wie sie hurtig den Bügelstahl dreht,
Gott, wie die Backen glüh'n!
Im weissen Röckchen steht sie da,
Ihre Bluse ist blumig bunt;
Kein Mieder schnürt, was d'runter sich regt,
Sich wellenwohlig weich bewegt,
Der Brüste knospendes Rund.
Vorüber geh ich allmorgens früh,
Schau tief ihr ins Auge hinein,
Da liegt meine Lust, meine Liebe, mein Glück,
Die lachende Kunde: Komm Abends zurück, -
Das Waschermadl ist dein!
II.
Im alten Ton.
Der Frühling kam, die Knospen sprangen,
Da bin ich auf die Wiese,
Ja Wiese,
Alleine hinausgegangen.
Ich ging allein
Und kam zu Zwei'n:
Mit einem holden Kinde;
Das hab ich geküsst auf den rothen Mund
Wohl unter der grünenden Linde,
Dem hab ich den Blick in die Augen gesenkt,
Das hat mir seine Liebe geschenkt
Und hat mir gelacht
Zum Lohn bei der Nacht,
Zur Seite geschmiegt mir im Bette:
Ein Waschermadl ist mein Schatz,
Mein brauner, mein wilder, mein lustiger Schatz,
Und heisst Jeanette!
III.
In enger Kammer.
Ein Bett, ein Stuhl, ein Tisch, ein Schrank,
Und mittendrin ein Mädel schlank,
Meine lustige, liebe Jeanette.
Braune Augen hat sie, wunderbar,
In wilden Ringeln hellbraunes Haar,
Kirschrother Lippen ein schwellend Paar, -
Jeanette! Jeanette!
Am Fensterbret ein Epheu steht,
Durchs grüne Geranke die Liebe späht,
Meine lustige, liebe Jeanette.
Thüre auf: da liegt mir am Hals das Kind.
Alleine wir beiden, es singt der Wind
Das Lied von Zweien, die selig sind, -
Jeanette! Jeanette!
Otto
Julius Bierbaum . 1865 - 1910
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