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Otto Julius Bierbaum
Erlebte
Gedichte . 2. Auflage 1903
Liebenswürdiger Rath und Antwort
Kürzlich, an einem Aergertage,
Schrieb einem Freund ich Schriftstellerklage,
Dass mir zuwider zuweilen dies Schinden,
Verneigen, Verschweigen, Herumsichwinden,
Von der Sorgenpeitsche geschlagen, getrieben,
Von niedriger Nothdurft aufgerieben...
Der Brave, ein Deutscher von vielem Takt,
Schrieb mir zurück ganz nüchtern und nackt:
"Ja, Lieber, musst Du denn grade schreiben?
Kannst Du denn gar nichts andres treiben?
Hast Du nicht Jurisprudenz studiert?
Rasch, in die Zeitung, und inserirt:
Akademisch gebildeter Hausknecht sucht Stelle,
Jüngst schrieb er die zweihundertzwölfte Novelle,
War auch Mitarbeiter am Musenheim
Und bastelte manchen Ringelreim.
Wills aber gewiss nicht wieder thun.
Will ganz vernünftig werden nun.
Denn Hunger thut zuweilen weh.
Gefällige Offerten sub O. J. B."
Jaja, mein liebenswürdiger Rather,
So denkt ihr Alle, die vom Herrn Vater
Mit sanfter Gewalt zum Beruf ihr gezwängt,
Die ihr selbsteigen euch nicht gelenkt.
Ich aber habe mir selbst gewählt
Meine freie Kunst; und ob sie mich quält,
Ich bleibe ihr treu in Qual und Glück.
Zu euch, Philister, kein Schritt zurück!
Otto
Julius Bierbaum . 1865 - 1910
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