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Otto Julius Bierbaum
Erlebte
Gedichte . 2. Auflage 1903
Meine Sonne a.D.
Als
es Winter war, hatt' ich nur einen Sonnenschein, - Dich, und Du warst mir eine
ferne Sonne mit seltenen Strahlen. Aber wie waren sie warm und freundlich, und
wie war ich glücklich!
Nun ist es Frühling geworden über die Erde,
und die Vögel rufen sich von schwanken
Knospenzweigen, und der Himmel ist blau wie Erfüllung aller Seligkeit.
Aber wo ist denn meine Sonne?
Schau da, wie schön: von chinagelber Seide das
Kleid, burgunderroth der Gürtelreif, und alle Blumen des Frühlings
auf dem weissen Hute, geht meine Sonne dort auf vor dem römischen Roth der
Arkaden.
Sonnensieg! Die gelbe Seide surrt mit falbelndem Saum
über den rothen Fliess, und jeder ihrer Schritte ist ein Kuss der
beglückten Erde.
Das ist meine Sonne?
Ach, wie sie doch im Winter so weich und fraulich war
und lieb.
Nun ist sie stolz geworden, und wie ein Komet zieht sie
einen zitternden Schweif von
Verehrern nach und lässt die dümmsten Monde in ihre Nähe, wenn
sie von Silber sind.
Sonne, dein Sieg gefällt mir nicht. Halloh! Ich
geh auf die Sternensuche!
Otto
Julius Bierbaum . 1865 - 1910
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