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Otto Julius Bierbaum
Erlebte
Gedichte . 2. Auflage 1903
Mönchs Kunst, zu lieben
(An Arno Holz.)
In einer Klosterbücherei,
Voll ausgestopft mit Kirchenvätern
Und sonstig heiligen Schweineledern,
Sankt Augustino grade nebenbei,
Fand ich, vor Schrecken fiel ich um,
Ganz kürzlich dies Opuskulum.
Es war auf Pergament gemalt,
Bunt golden fein verinitialt,
An Schnörkeln reich und Schilderein
Und lag in einem Eichenschrein;
Der war geschnitzt, ach, so süperbe!
Gott segne unser Kunstgewerbe.
Ich glaubt, dass es was Frommes wär,
Ein Andachtbuch, voll von Gebeten,
Legenden von Anachoreten,
Dogmatika und derlei mehr,
Und macht mich langsam drüber her;
Denn wenig interessirt mich so was,
Dieweil ich ein ungläubiger Thomas.
Doch kaum las ich die erste Zeile,
Kam ganz bedeutend ich in Eile,
Denn keine frommen Litanein
Barg dies barokke Kraftlatein,
Im Gegentheil, ich fand geschrieben
Ganz schlecht und recht die Kunst, zu lieben.
Nicht in ovidischer Manier,
Bald Contredanse, bald Brunstturnier,
Nicht südlich, abenteuerlich,
Nein, urdeutsch bergwaldbäuerlich,
Mit Bärentatzen hingehaun
Und plump possirlich anzuschaun.
Mag wohl ein Mönch gewesen sein,
Der sich in Waldeinsiedelein
Zurückezog aus Liebeswogen,
Der sich mit Heckendorn umzogen
Sein kleines Haus, dass nicht ihm nah'
Frau Venus pandämonia,
Die früher ihm den Leib zerrissen
Mit ihrer Süsse Bitternissen,
Die tiefe Kunde ihm gelehrt,
Als sie sein heisses Herz versehrt.
Ich glaub, er war von Bauernstamm,
Ein derber Kerl, behaart und stramm,
Kein blasses Pfaffenangesicht!
Sein Gang war grad, sein Blick war licht.
Wenn segnend er die Hände streckte,
Er sich in Mannheit aufwärts reckte.
War er in seiner Zell allein,
Goss aus sein Herz er in Latein;
Dem fehlte alle Zierlichkeit
Und rhythmische Manierlichkeit,
Es war aus deutschem Herzenssaft,
Voll tumper teutscher Bauernkraft,
Kein Wort zu weng, kein Wort zu viel,
Im derben Eichenknorrenstil.
Und doch so fein gemalt, getuscht,
Von Rauschgoldbronze überhuscht,
Mit Rankenreben reich verziert,
Mit Bildwerk viel verkleinodirt,
Voll Kunst und Liebe, Preis und Pracht,
Es hat der Fleiss daraus gelacht.
Das las ich nun und war entzückt,
Von fremdem Glücke überglückt,
Denn das sah klar ich wohl daraus:
Die Liebe band ihm manchen Strauss,
Bis er, wer weiss, weshalb, warum,
Einkroch ins Monasterium.
Gern hätt ich alles abgeschrieben
Aus dieser sondren Kunst, zu lieben,
Doch kaum zu lesen fand ich Zeit.
Des Paters Widerhaarigkeit,
Der dieser Bücher Wächter war,
Erahnte weltliche Gefahr
Und trieb mich bald vom Pergamente.
Ich schrieb nur ab das kurze Ende,
Das kürzlich überschrieben hiess:
Memento vir ut Dominus sis!
Ich übersetze das krause Latein:
Bedenke, Mann, Herr sollst du sein!
Was unter diesem Titel stund,
Sei ausgedeutschet hiermit kund.
Es ist nicht eben sonders fein,
Doch gröber noch klangs im Mönchslatein:
Das Weib ist süss und warm und zart
Und geht dir linde um den Bart,
Es setzt sich leicht dir auf den Schoss
Du fühlst sie kaum, die liebe Last,
Doch wenn du sie im Herzen hast,
Dann wird sie schwer und mächtig gross,
Und greift dir um den ganzen Leib
Und machte dich selber gern zum Weib,
Und saugt dich aus und macht dich leer,
Als wenn sie des Teufels Lunge wär,
Und macht dich aller Mannheit bar,
Möchte dich haben ganz und gar,
Und macht dich schwach und macht dich klein,
Als wie ein Taubenfederlein,
Und eh du dir es nur gedacht,
Hat sie zum Nichtschen dich gemacht.
Drum halt dich fest und starr und stark,
Bleib Mann, o Mann, Mann, bleibe Mark!
Halt ihr aufs Auge deine Faust,
Eh du als Seufzerthräne thaust,
Mach deine Lieb ihr nicht gemein,
Lass sie in Zweifeln ängstlich sein,
Sonst bringt die Siegerin dich um
Im Liebesspielmartyrium.
Ist deiner Lieb sie zu gewiss,
Braut sie aus Launen Bitterniss,
Lässt tanzen dich wie einen Bär,
Lässt los auf dich ein ganzes Heer
Von Künsten böser Zauberei,
Nicht eine Stunde bist du frei,
Musst laufen wie behängt mit Kletten,
Kannst nimmer dich vor Launen retten,
Die Blicke schwirrn von ihr wie Bienen
Nach andrer Männer süssen Mienen,
An jedem Zucker muss sie lecken,
Möcht gern aus fremden Töpfen schlecken,
Und nur aus einem Grund all dies:
Sie langweilt sich im Paradies,
Sie hat es eilig sattgekriegt,
Dass du zu weich sie eingewiegt.
Doch bist du harter Mannheit klug,
Kriegt nimmer sie an dir genug,
Hältst du im Zaum sie herrisch fest,
Sie nimmer, nimmer von dir lässt,
Und küsst die Hand, die schwer und raub,
Und ist gar eine liebe Frau.
Eins ist vor allem andren noth:
Die Lieb sei ihr nicht täglichs Brot.
Du musst sie nicht gar übersüssen,
Lass sie zu Zeiten Hunger büssen,
Und gieb ihr wie dem kleinen Kinde
Statt Zuckerzwiebacks harte Rinde.
Dass ihrs ein tiefersehntes Fest,
Wenn du sie wieder kosten lässt
Vom süssen Liebeszuckerwecken,
In dem gar viel Rosinen stecken
Für ihrer Zunge Lüstigkeit.
Und gieb ihr auch von Zeit zu Zeit
Vom Bittersten ein wenig ein:
Lass sie recht eifersüchtig sein.
Lass sie in Aengsten um dich warten,
Derweil du gehst in fremdem Garten;
Da soll sie hinterm Gitter stehn
Und durch die Rosenbüsche sehn,
Wie du vergnügt herumspazierst
Und dich gar weidlich erlustirst.
Oh, wie sie froh dich dann empfängt,
An deinen Hals sich glücklich hängt,
Wenn sie in Aengsten hat gebangt:
Ob er wohl nach der Rose langt?
Doch treib zu weit nicht dieses Spiel
Und schiesse hier nicht übers Ziel!
Hart sollst du, doch nicht grausam sein,
Gieb nicht zu viele Pillen ein
Von dieser bösen Bitterniss,
Sonst dreht die Holde dir den Spiess,
Dass er dir deine Brust zerreisst
Und dich die grosse Sorge beisst:
Ob sie nicht auch lustwandeln geht,
Wo fremder Früchte Süsse steht;
Denn dann ist Fried und Freude aus,
Hornissennestwild wird dein Haus,
Und in dem Hinundwiderkriegen
Wirst stets der Frauen du erliegen,
Die Meisterin ohne gleichen ist
In böser Launen Stachellist.
Von ihrer Lippen schönem Bogen
Kommt giftschwer mancher Pfeil geflogen,
Der tief sich in das Herz dir frisst,
Bis siech und todeswund du bist.
Die Frau, der du zu weh gethan,
Da sie dich sah in Liebe an,
Sie wird von Hasse schlangenwild,
Und ob sie auch der Taube Bild.
In ihres Auges Tiefe ruht
Der Höllenflamme Wütheglut,
Ein wüster Wurm hält davor Wache:
Zertretner Liebe wilde Rache.
Das war der Schluss der Mönchenlehr.
Weiss nicht, obs meine Sache wär,
Nach ihr zu leben und zu lieben.
Ich hätt ein andres Lied geschrieben,
Nicht also rauh, voll Fährlichkeit,
Ein sanfteres Lied aus sanfterer Zeit.
Das ist der Zeiten Unterschied,
Die Liebe wechselt und das Lied.
Doch wie auch Art und Ton vergeht,
Im ewigen Wechsel um sich wendet,
Die Sache selbst bleibt ungeendet:
Die Liebe und das Lied besteht.
Otto
Julius Bierbaum . 1865 - 1910
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