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Erlebte Gedichte
162 Bücher



Otto Julius Bierbaum
Erlebte Gedichte . 2. Auflage 1903



Zu einer Jubelfeier

(Den Adoranten.)

Schellenklirr und Paukenbum,
Begeisterung geht rasselnd um
Für einen deutschen Dichter.
Für einen deutschen Dichter?
Das ist zu dumm!

Den guten Deutschen sind völlig wurstig
Ihre Poeten; sie sind nicht durstig
Nach der Schönheit schimmernden Quellen
Und nach dem hellen
Tranke der Wahrheit;
Sie fordern nur Klarheit
Von ihren guten,
Malzwürzigen Suden.
Wer bei ihnen dichtet,
Der ist gerichtet;
Und wäre sein Dichten wie Sonnenschein golden,
Sein Herz ein Liebestempel der Welt: -
Hat er kein Geld,
Wird er ein Narr gescholten.
Im Lande der Dichter und Denker nämlich
Misst man bequemlich
Auch die Poeten
Nach den Moneten.
Wem voll der Kopf und der Beutel leer,
Der trägt in Deutschland sein Leben schwer;
Bei wem die Sache umgekehrt,
Der wird mit Tsching! und Bum! geehrt.

Aber die vielen Feierlichkeiten?
Dithyrambischen Leyerlichkeiten?
Diese Diplome und Adressen,
Dichterverhimmelungsehrenessen?
Dieses Besingen und Beräuchern,
Wonniges Liegen auf den Bäuchern?
Dieses Pauken und Trompeten
Für die Poeten, für die Poeten?
Dieser raddaulich-erbauliche Schwung
Dröhnender Begeisterung?

Mit Vergunst:
Blauer Dunst.

Dies Alles ist für treues und echtes,
Theilnehmendes Lieben nur ein schlechtes,
Anmassliches, dünnes Surrogat
Und wird geboten allzuspat.
Man legt dem Dichter vor die Füsse
Alle die zeitungspapierenen Grüsse
Und die Bankzettelscheine dann,
Wenn er ein alter, müder Mann.
"Schau, wie lieben wir Dich, oh Dichter!"
Ruft der Banausen Philistergelichter,
"Siebenzig Jahre bist Du nun alt,
Und Dein Feuer, schon ist es erloschen.
Alle Halme sind ausgedroschen,
Bald ist Dein Gesang verschallt.
Aber wir wissen Verdienste zu ehren,
Pietät der Jugend zu lehren!
Alter Poete, da nimm' Deinen Brocken,
Nun kannst Du durch unsere Gütigkeit
Trotz Deiner zittrigen Müdigkeit
Immer noch auf dem Pegasus hocken."
Gehen nach Hause schier erhoben,
Können sich selber im Herzen loben.

Oh, Du gemeine Heuchlersippe,
Dumpfheit im Herzen und Schwulst auf der Lippe!
All' dein Phrasenbimmelschwung,
Festschmausweinbegeisterung
Für die Alten,
Für die Kalten,
Für die Matten,
Für die Satten:
Lüge nur, Lüge ist das Getriebe,
Tönendes Erz und klingende Schelle,
Faulen Gewässers trübflüssige Welle,
Denn es fehlt Dir im Herzen die Liebe.
Hättest Du Liebe, wie könntest Du sehen,
Wie so Viele im Elend vergehen,
Die in begeistertem Schaffen sich mühen,
Jugendfeurig dem Edlen glühen,
Bis sie von Deiner Dummheit geschunden
Ueber und über bedeckt mit Wunden.
Wird dann Einer hinausgetragen,
Hört man Dich scheinheilig klagen:
"Ach, wie war er hoffnungsvoll,
Dieser Jüngling, unvergesslich,
Unser Schmerz ist unermesslich, -
Freilich, er war noch ein wenig toll;
Hätte der Most sich ausgegährt,
Wär' uns ein trefflicher Wein bescheert."
Aber liesst ihr ihn denn gähren
Mit verständigem Gewähren?
Vorn und hinten
Ihn zu binden,
Das war euer ganzes Trachten,
Volk, zu schlecht noch zum Verachten.

Freilich, mit Recht dann rühmt ihr die Alten,
Die euer Lumpenthum ausgehalten,
Die es auf siebzig Jahre gebracht
Trotz eurer blöden Niedertracht,
Die nicht längst die Waffen gestreckt
Und im Elend wund verreckt.

Preise sie, Du Heuchlerbande,
Laut mit Pauken und Trompeten,
Die zählebigen Poeten:
Laut rufst aus Du eigene Schande.

Schellenklirr und Paukenbum,
Begeisterung geht jetzo um
Für einen alten Dichter.
Oh, hundsgemeine Wichter!
Wir wissen, warum.


  Otto Julius Bierbaum . 1865 - 1910






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