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Zwei Bücher Liebe
162 Bücher



Georg Busse-Palma
Zwei Bücher Liebe . 1. Auflage 1903



Mädchenlieder

I

Ob wohl ein Mädel' mal weinen gemüßt hat,
Weil er es geherzt hat, weil er es geküßt hat?
Das glaube, wer will!
Ich hab' ihm so selig im Arme gelegen,
Jeder Kuß war ein Kreuz, jeder Kuß war ein Segen
Und ich hielt still.

Dann hat er drei Rosen vom Busche gebrochen -
Und keine der Dornen hat ihn gestochen -
Für mich, für mein Haar.
Die erste verwelkte, die erste verblühte,
Als er mich noch herzte, als ich noch erglühte,
Als er noch mit Küssen nicht fertig war.

Die zweite, die hat mir ein Windstoß vertrieben,
Als er mich dann grüßte von drüben, von drüben,
Zum Abschied noch grüßte mit klingendem Schrei,
Doch eh' ich ihm so viel der Küsse gesendet,
Wie er mir noch zuwarf, wie er mir gespendet,
War sie auch vorbei.

Die dritte aber, die hab' ich geborgen
Und hab' sie gehütet vom Abend zum Morgen,
Bis sie auch dahin.
Nun hab' ich sie in das Gesangbuch gegeben
Wo die Verse lauten: Dir dank' ich mein Leben,
Herr, nimm es nun hin! -



II

Ich sah heut nacht viel Sterne,
Die Gott wohl wandeln hieß,
Und hört' ein Horn von ferne,
Das so wie deines blies.

Da bin ich ausgeschritten
In aller Herrgottsfrüh.
Um deine Heimkehr bitten
Wollt' ich die Sankt Marie.

Die Luft war herb gewürzet,
Von frischem Ruch erfüllt,
Ich hab' den Rock geschürzet
Und kniete vor dem Bild.

Doch eh' Marias Gnade
Gehört ein einzig Wort,
Da rauschte es vom Pfade
Als spräng' ein Böcklein dort.

Da hat den Mund mir plötzlich
Ein bärt'ger zugedeckt -
Ach, Liebster, gar entsetzlich,
Gar süß ward ich erschreckt!



III

Seit ich mich damals dir ergeben
In jener süßen sel'gen Nacht,
Hat still in mir ein neues Leben
Die dunklen Augen aufgemacht.

Ich darf in junger Frauenwürde
Nicht stolz wie meine Schwestern stehn
Und muß mit zwiefach schwerer Bürde
Verstohlen durch die Gassen gehn.

Doch schilt mich jeder auch im Lande
Und wendet alles sich von mir:
Ich trag' ja nicht allein die Schande,
Ich trag' ja auch dein Kind dafür ...



IV

Noch liegt die Sonne leuchtend überall,
Mir aber ist, als wär' es spät im Jahr.
Es soll noch grün sein auf dem Festungswall,
Doch anders wohl, als wie es früher war.

Denn viele Rosen wiegte dort der Wind,
Als du den Mund mir rot wie sie geküßt.
Es kann nicht sein, daß die noch blühend sind,
Wo er so blaß und du so ferne bist ...



V

Sie hat viel zu selig geküßt und geherzt
Im vorigen Jahr, wie es Mai war;
Und hat's nicht verwunden und niemals verschmerzt,
Daß alles dann, alles vorbei war.
Sie sah noch den Herbst und den Garten im Schnee,
Der trostlos und traurig sich dehnte.
Als er wieder erblühte, zersprengte das Weh
Ihr Herz, das versehnte.

Und so war ihr letzter, ihr klagendster Schrei:
O Lenz, du lachender Knabe,
Laß keine Rose im ganzen Mai
Erblühen auf meinem Grabe!
Das blüht und duftet sonst immerzu,
Sonst singen und klingen viel Lieder,
Sonst haben die Toten im Grab nicht Ruh'
Und sehnen sich wieder ...


  Georg Busse-Palma . 1876 - 1915






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