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Georg Busse-Palma
Zwei
Bücher Liebe . 1. Auflage 1903
Rosen
Heut erwartet mein Schatz die Schwester, die ferne verweilte,
Und auf der Mitte des Tischs, in dem Familiengemach,
Nicken aus zierlichen Vasen die roten Rosen der Liebe
Schon eine Stunde vorher ihr ein herzinnig Willkomm'.
Ich nur gehe umher, betrübt, mit gefalteter Stirne:
Lottchen, ist von so viel nicht eine einz'ge für mich?
Ach, da schlägt sie die Augen zu mir auf mit zärtlicher Bitte:
Wirklich, ich gäb' dir so gern, aber es geht nicht, Georg!
Täglich schilt mich die Mutter, weil ich so häufig bei dir bin.
Nähm' von den Rosen nun gar, die für die Schwester bestimmt,
Ich dir die schönste heraus, ich fürchte, sie würde mich schlagen.
Küßt du mir dann auch den Mund, tut mir die Wange doch weh!...
Immer noch blieb ich verdrossen, zum mindesten außen im Antlitz,
War mir das Herz in der Brust auch schon beruhigt und hell,
Aber da reckte sie sich, erst ängstlich zur Türe noch spähend,
Plötzlich zu mir in die Höh', schlang ihre Ärmchen um mich,
Und mit spitzigem Mäulchen, das ich wohl häufig schon küßte,
Doch das zu küssen von selbst nie noch im Leben gelernt,
Küßte sie mir auf die Lippen die beste Entschuldigungsrede,
Die seit Erschaffung der Welt je ein Verteidiger hielt. -
Lottchen, mein herziger Junge, mein liebes Leipziger Häschen,
Kämen die Rosen jetzt all', die es auf Erden nur gibt,
Und sie legten sich alle mir duftig zu Füßen und bäten,
Daß ich die nenne, die mich vor allen andern erfreut,
Weißt du, was ich dann spräch'? Ich spräch': Ihr Knospen und Blüten,
Fürstlich seid ihr und schön, aber die fürstlichste selbst
Könnte mich nicht so erfreun als wie die kleine bescheidne,
Die mir erst heutigen Tags Lottchen, mein Lottchen, versagt! - -
Sieh, so spräch' ich, mein Kind, nun komm und küß mich noch einmal!
Hab' ich die Rosen auch gern, lieblicher ist mir dein Kuß.
Hab' ich die Rosen auch gerne, bitt' ich dich dennoch: versag mir
Täglich ein Röschen und zahl's ebenso lieblich wie heut!
Georg
Busse-Palma . 1876 - 1915
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