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Georg Busse-Palma
Die
singende Sünde . 1. Auflage 1905
Szene
Die Purpurumhüllten auf prunkendem Goldgestühl,
Sie lächeln und plaudern und sehn auf das bunte Gewühl
Der Zirkusarena.
Geronnenes Blut und Schweiß
Stinkt auf aus dem Knäuel verkrampfter, zuckender Leiber.
Dort unten kämpfen Millionen Männer und Weiber,
Und Heulen und Röcheln durchgellt den umgitterten Kreis.
Hussa immerzu!
Die Ewigen klatschen und schaun
Und wilder packen sie sich, laut knirschen die brechenden Glieder.
Der Staub, der fliegende Geier, wird dunkelbraun
Und schwebt immer tiefer auf blutbespritztem Gefieder.
Ein jeder will siegen in Jammer, Kampf, Wunden und Not,
Und doch sind sie alle, sie alle unrettbar verloren
Dem Büttel der Götter, dem stärksten der Gladiatoren,
Dem Tod! -
Der lehnt sich lauernd an Säulen von schwarzem Granit.
Seine Hand hält ein Schwert, und das Schwert, das funkelt und sprüht.
Wenn einer im Kampf mit den anderen Sieger blieb,
Dann reckt er die Arme, dann funkelt's, dann saust sein Hieb. -
Ehre den ewigen Göttern!
Vorstellungspause.
Der Lärm wird stumm.
Nur die Wunden und Sterbenden stöhnen und röcheln ringsum.
Da sinken die andern ins Knie, und die Hände erhoben,
Flehn sie und singen sie:
Ihr Allerbarmer dort oben,
Ihr, die allweise das Schicksal der Lebenden lenket,
Ihr, die bisher uns geführt und so reichlich beschenket,
Führet uns weiter, ihr Ew'gen und weist uns die Pfade -
Unser ist Glauben und Flehn und euer die Gnade!
Hört uns, ihr Götter! -
Die ewigen Götter, sie hören die flehende Weise,
Sie schütteln die lockigen Häupter und lächeln leise.
Dann klatschen sie laut in die Hände. Aufs neue verschlingen
Zu dampfendem Knäu'l sich die Mengen und rasen und ringen.
Dort röcheln in blutigem Staube zwei blühende Knaben
Und werden von stürzenden Greisen erstickt und begraben.
Hier springt gelenk wie ein Panther und schnell wie gefiederte Pfeile
Ein Weib einem Mann ins Genick und zerbeißt ihm die Wirbelsäule.
Darüber schwebt wie ein Habicht und stößt gewaltig hernieder
Das Schwert des Todes und bohrt sich breit in die zuckenden Glieder.
Mord, Röcheln und Schrein.
Dann hebt in flehendem Chor
Das alte betende Lied sich aufs neue empor.
Da gellt eine Stimme. - Über den Zirkussand
Hebt drohend und trotzig sich eines Gefallenen Hand:
Ich singe nicht mit, ich fluch', wo ihr betet und preist
Und wenn ihr die Lungen mir aus dem Leibe reißt!
Ich kenne die Götter und kenne sie viel zu gut.
Ihre Polster sind purpurn, doch purpurn von unserem Blut.
Sie hetzen und peitschen uns gegeneinander und lächeln
Wenn wir uns zerreißen und sielend im Sande verröcheln -
Sie sitzen im Leben und freuen sich unserer Qual.
Ich haß und verfluch' sie, verfluch' sie unzähligemal,
Unzähligemal!
Erst stummes Entsetzen.
Dann sprühen in eifernder Wut
Unzählige Augen, die blind noch vom eigenen Blut.
Er lästert die Götter! Verderbt ihn in Ewigkeit!
Sie stürzen sich auf ihn. Er wehrt sich und flucht und schreit.
Da krallen sie ihm in die Rippen und reißen und drängen,
Bis seine Lungen schwarzblutig im Staube hängen.
Die Ewigen lächeln und freun sich:
Wer frevelt, der fällt!
Sie finden ein Wohlgefallen am Zirkus der Welt.
Es knien um die Leiche des Lästrers Millionen und flehn empor:
Wir haben die Unbill gerochen, seid gnädig uns nun wie zuvor!
Ihr seid ja die Fürsten der Gnade, allweise, gerecht und gut - -
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Aufstinkt es von faulenden Leichen, von Schweiß und geronnenem Blut!
Georg
Busse-Palma . 1876 - 1915
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