Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Carl Busse
Gedichte . 2. veränderte Auflage (vermutlich) 1894/1895



Unter Buchen

Steht ein Schlag von neunzig Buchen
Drüben weit am Horizont,
Wo die Kinder Reisig suchen
Und sich träg die Schlange sonnt.
Jede Spätnachmittagsstunde
Fand mich draußen vor dem Thor,
Mit den Lerchen all im Bunde
Pfiff ich mir ein Liedel vor.
Schwang den Stock in weitem Kreise,
Bis ich an den Waldsaum kam
Und der Wipfel Abendweise
Mir das Herz gefangen nahm.
Wenn die Dorfuhr dann dazwischen
Fern den Feierabend schlug
Und die Luft die klaren, frischen
Klänge mir herübertrug -
Ach, wie lauscht' ich dann auf alles,
Ob sich nichts im Runde regt,
Sich nicht südwärts leisen Schalles
Ein gestreifter Zweig bewegt ...
Jauchzend tollten mir im Schädel
Schelmenlieder hin und her,
Weil das allerliebste Mädel
Bald an meiner Seite wär'.

Sahst du zarte Rehe springen
Zierlich über Strauch und Stein,
Hörtest du die Vögel singen
Lustig-hell im Abendschein?
Kaum daß schwach die Kräuter stoben
Sprang sie rehgleich auf mich zu,
Hat das Röckchen leicht erhoben,
Sang schon fern ihr Lied mir zu.
Sang ihr Lied vom Schatz, dem losen,
Wie der schäkert, scherzt und tollt,
Ach und rote Liebesrosen
Jeden Abend pflücken wollt! ...
Plötzlich schwieg das süße Klingen,
Küß mich nur und sprich kein Wort,
Konnt' der Mund nicht weiter singen,
Sang uns doch die Seele fort.
Kleine Blumen, kleine Lieder,
Kleines Mädchen träumten sacht,
Eichhorn warf uns Eckern nieder,
Lachte leise: gute Nacht.
Winde rauschten durch die Buchen,
Komm, wir spielen Blindekuh,
Liebste, laß mich Rosen suchen ...
Und sie schloß die Augen zu.


II.

Längst hat nun die goldnen Flügel
Unser Glück zum Flug gespannt,
Hat vom letzten Mühlenhügel
Sich noch einmal umgewandt.
Flog zu fremden, flog zu andern,
In den Bäumen trieb der Saft,
Sah die Handwerksburschen wandern
Und ging auch auf Wanderschaft.
Als Erinnrung ließ für jeden
Es zurück sein liebstes Kind,
Das uns nun mit Sommerfäden
Sachte Sinn und Herz umspinnt.
Hör' auch heut, wie traumumgaukelt
Süße Sehnsucht droben zieht,
Lind sich in den Wipfeln schaukelt
Wie ein leises Schlummerlied.
Und die Uhren schlagen wieder
Ganz wie sonst vom Dörfchen her,
Doch ich finde keine Lieder,
Suche keine Rosen mehr.
Huscht das Kätzchen durch die Bäume,
Schwingt von Ast zu Ast sich leis,
Und es lacht in meine Träume:
Wenn der wüßte, was ich weiß.
Was ich weiß, ich rotbraun Kätzchen,
Wenns der Träumer drunten wüßt',
Träumer du, auf diesem Plätzchen
Hast du einst geküsst, geküßt ...
Von des Waldes Wipfelborden
Weicht das letzte Sonnenlicht,
Ach, ich bin so matt geworden
Und ich kenn mich selber nicht.

Manches Mal und manche Meile
Ging ich sonst doch hier zum Hain,
Zog dann stets nach kurzer Weile
Singend in den Thorweg ein.
Kleine Blumen, kleines Mädchen,
Ach, mir ist das Herz so voll,
Daß ich heut mein Heimatstädtchen
Nimmer wohl erreichen soll.
In den Buchen raunt ein Rauschen,
Daß hier wechselt Blatt um Blatt,
Glück und Schmerz sich stets vertauschen;
Alles seine Zeiten hat.
Und dann neigt das letzte Leben
Sich im Wald dem Abendtraum
Und den Mohngott seh ich schweben,
Seh ich segnen Baum um Baum.
Lös du lind auch meine Schmerzen,
Nimm auch dieses Kind in Acht,
Allen müden Menschenherzen
Gute Nacht nun, gute Nacht!


  Carl Busse . 1872 - 1918






Gedicht: Unter Buchen

Expressionisten
Dichter abc


Busse
Gedichte

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Unter Buchen, Carl Busse