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Richard Dehmel
Aber
die Liebe! . 1. Auflage 1893
Der Pirat
Nach José de Espronceda.
Mit zehn Kanonen blank an Bord,
mit vollen Segeln vor dem Wind,
die flink wie Mövenflügel sind,
streicht eine Barke durch die Flut:
die Barke des Piratenherrn,
auf allen Meeren er gekannt
von einem bis zum andern Strand,
der "Hai" getauft für seinen Mut.
Im dunkeln Wasser hüpft der Mond,
im Tauwerk seufzt und pfeift der Wind,
ein langer Silberstreifen rinnt
breit durch die blaubewegte Flut.
Und der Piratenkapitän
sitzt singend hoch an Steuers Rand,
links Asiens, rechts Europens Strand,
und sitzt und singt und schwenkt den Hut:
"Fliege, mein Segler du, fliege,
unverzagt;
fliegst und segelst zum Siege!
Spottest der Stürme, der Klippen und Riffe,
der Himmelstücken, der feindlichen Schiffe,
weil dein Herr sein Leben wagt!
Zwanzig
Prisen
haben
wir gemacht,
haben
die Staatsmützen
ausgelacht;
hundert
Nationen
liegen
und grüßen hier
mit
ihren Flaggen
zu
Füßen mir.
Denn meine Barke ist mein Reichtum,
denn mein Gesetz ist mein Begehr,
mein Gott der Wind und meine Freiheit,
mein einzig Vaterland das Meer.
"Könige streiten dadrüben
in
blinder Gier
um ein paar Aecker Rüben.
Sehet, ich lache! Meine Gefilde
reichen, soweit das weite wilde
Meer entrollt sein frei Pannier.
Da ist
kein Wimpel,
wie er
auch glänze,
da
keine Küste,
wo sie
auch grenze,
die
nicht Salut gethan
meinem
Geschlecht,
die
nicht erkannten
mein
Hoheitsrecht.
Denn meine Barke ist mein Reichtum,
denn mein Gesetz ist mein Begehr,
mein Gott der Wind und meine Freiheit,
mein einzig Vaterland das Meer.
"Kaum schrein vom Mars die Jungen:
Schiff
in Sicht!
rennt's schon mit vollen Lungen,
hoi alle Segel breit, Fersengeldsegel,
rennt es und rennt es; denn diese Flegel
lieben den König der Meere nicht.
Aber
wie Brüder
Ich und
Ihr,
meine
Getreuen,
teilen
die Beute wir.
Ein
einzig Eigentum
nehm
ich für mich
ohne
Rivalen:
dich,
Schönheit, dich!
Denn meine Barke ist mein Reichtum,
denn mein Gesetz ist mein Begehr,
mein Gott der Wind und meine Freiheit,
mein einzig Vaterland das Meer.
"Verdammt zum Höllenfeuer,
zum Tod
am Strick,
sitz' ich und lache euer!
Hütet euch, Schufte: wen ich mir lange,
den häng' ich auf an der Segelstange,
vielleicht von seiner eignen Brigg!
Und
wenn ich falle:
was ist
das Leben!
Hab es
schon damals
verloren
gegeben,
als ich
die Kette brach,
als
ich, ein Held,
mir
schuf mein eigen Recht,
mir
meine Welt.
Denn meine Barke ist mein Reichtum,
denn mein Gesetz ist mein Begehr,
mein Gott der Wind und meine Freiheit,
mein einzig Vaterland das Meer.
"Melodieen wie brausend
Orgelgewühl
spielt mir im Nachtsturm, sausend,
meiner geschüttelten Taue Gestöhne,
meiner Kanonen Donnergedröhne
und des schwarzen Meeres Gebrüll.
Von
ihren tobenden
Liedern
umschnoben,
geh ich
zur Ruhe,
wogenumwoben,
jubelnde
Zungen
rund um
mich her,
in
Schlaf gesungen
vom
Meer, vom Meer.
Denn meine Barke ist mein Reichtum,
denn mein Gesetz ist mein Begehr,
mein Gott der Wind und meine Freiheit,
mein einzig Vaterland das Meer!"
Im dunkeln Wasser hüpft der Mond,
im Tauwerk seufzt und pfeift der Wind,
ein langer Silberstreifen rinnt
breit durch die blaubewegte Flut.
Und der Piratenkapitän
lehnt schweigend hoch an Steuers Rand,
links Asiens, rechts Europens Strand,
tief in die Stirn gedrückt den Hut.
Mit zehn Kanonen blank an Bord,
mit vollen Segeln vor dem Wind,
die flink wie Mövenflügel sind,
streicht seine Barke durch die Flut:
die Barke des Piratenherrn,
auf allen Meeren er gekannt
vom einen bis zum andern Strand,
der "Hai" getauft für seinen Mut.
Richard
Dehmel . 1863 - 1920
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