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Cäsar Flaischlen
Von
Alltag und Sonne . 1. Auflage 1898
Zwischen Sommer und Herbst
...
Wenn Sichel und Sense durch das
Korn
rauscht .. jenes leise Dengeln am
Abend
.. scharf, hart, und doch, ich weiß
nicht:
müde, wie Reue, wie heimliches
Weinen!
... und ein paar Schnitterinnen,
auf dem
Heimweg, über die Felder hin,
ein
Lied singend ..."
...................
"Du
bist der scheidende Sommer,
ich
bin der sterbende Wald"
Nach
Heine.
Vielleicht kommt doch einmal die Zeit, auch für dich, da die Gärten
im Schatten liegen, Marie-Anne, und die Rosen in heimlicher Sehnsucht dem
Sonnenstrahl nachflattern, der da mit müder Hast sich durch das
Laubgehänge zum Park hinaussucht, als flüchte er vor dem Spott des
Satyrs Herbst, der grinsend am Thorgitter lehnt ... die Zeit, da das Lied des
Vogels stille geworden in den Wipfeln und die Wälder schweigsam und reglos
stehen in nebelspinnender Dämmerung.
Noch zwar leuchtet der Sommer in üppiger
Jugendpracht, mit glühender Wange, mit bebender Lippe und schwellender
Brust, berückend, liebeverlangend, verführerisch, schön ..
schön ... wie du mir entgegentratst, Marie-Anne: morgens, wie das
Frührot den Tag weckt: frische Blumen in der Hand, vorm Fenster
gepflückt, verzehrende Glut im dunkeln Auge, verhaltene Leidenschaft in
der Stimme, mit wogender Brust, traumglühend, sehnsuchterregt,
liebeverlangend, verführerisch, schön .. schön ... wie du ...
wenn du vom Mondlicht überflutet, im verschwiegenen Zimmer, die
weißen Arme um mich schmiegtest und der Duft deines Körpers wie
sengende Lohe in mein Blut zischte ..... noch leuchtet der Sommer in
üppiger Jugendpracht .. vielleicht aber kommt doch einmal die Zeit, auch
für dich, da die Gärten im Schatten liegen und die Rosen der Sonne
nachflattern, Marie-Anne.
Denkst du noch jener ersten frühen Zeit ... ehe
jene Stunden kamen am See ... wie glücklich wir zusammen! fröhlich
und selig wie Kinder, über nichts jubelnd und jauchzend?!
Denkst du noch jener Abende dann, da wir, die Arme
umeinander geschlungen, die Gartenhalde entlang giengen, beim Aveläuten
vom Thal her .. und das Märchenweben der Sommernacht den stummen Drang in
uns plötzlich Worte finden ließ, daß Lippe sich auf Lippe
verlor und kaum satt zu werden vermochte in seligem Durst?!
Denkst du noch, wie glücklich wir da waren, damals
.. und dann .. nachher .. bis jene Stunden kamen am See?!
Und es könnte noch so sein, es könnte noch
sein, wie es war! denn noch leuchtet der Sommer in üppiger Jugendpracht
... wenn du nicht müde wärest und verdrossen und ..
lächeltest .. jenes feine, schmerzende
Lächeln verglühter Leidenschaft .. wenn ich, wie sonst, deine Hand
einmal nehme und an die Lippen drücke oder .. allzu stürmisch
vielleicht, meinen Arm um deinen Hals schlingen möchte ...
ich täte dir weh! sagst du, und .. und .. "es
ist so schwül und schwer und ich bin müde!"
Ja .. ich tue dir weh! und es ist so schwül und
schwer und du bist müde! ...
sommermüde! ...
Sichel und Sense rauscht durchs Korn und wie
windvertragenes Dengeln klingt es herüber, scharf und hart, halb Reue,
halb Sehnsucht, wie heimliches Weinen ... und die Glockenlaute vom Thal her ..
wie ein Aveläuten unserer Liebe! ... Was ich auch tue, ich tue dir nichts
mehr zu Freude, ich tue dir nichts mehr zu Dank! ... Vielleicht aber kommt doch
einmal die Zeit, auch für dich, da die Gärten im Schatten liegen,
Marie-Anne, und du zurückdenkst an deinen Weggenossen von einst, dem
nichts zu viel war für dich und der da sorgte für dich, wie ein Vater
für sein Kind und der an dir hieng, wie ein Kind an seiner Mutter .. den
du aber .. laufen ließest, wie man einen .. laufen laßt, dessen man
eben müde geworden ...
Vielleicht kommt doch einmal die Zeit, da du siehst,
was du verloren, da es dir leid tut, nicht froher gewesen zu sein, da dich ein
Heimweh überschleicht nach jenen Tagen unseres Kinderglücks und du
wie die Rosen mit heimlicher Sehnsucht dem Sonnenstrahl nachflattern
möchtest, der mit müder Hast durchs Laubgehänge sich zum Park
hinaussucht, als flüchte er vor dem Satyr am Thorgitter ..
die Zeit, da das Lied des Vogels stille geworden ist in
den Wipfeln und die Gärten im Schatten liegen, Marie-Anne!
Cäsar
Flaischlen . 1864 - 1920
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