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Worte in Versen V
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Karl Kraus
Worte in Versen V . 1. Auflage 1920



Inschriften

Die Verehrer

Sie nannten ihn ihren Erzieher.
Er hatte mit ihnen Geduld.
Jedoch eine einzige Schuld
sich selbst nicht vergab und verzieh er.

Er war ihnen allen gewogen.
Sie wollten nicht, daß er schliefe.
Sie schrieben ihm ihre Briefe.
Er hatte so schlecht sie erzogen.




Sonderbare Polemik

So mancher, den ich von mir entfernt,
führt er für mich, führt er gegen mich Fehde?
Er hat von mir das Reden gelernt
und stellt mich dafür nun zu meiner Rede.




Die Lage der Deutschen in Österreich

Sie war, man denke an die Friedenszeiten,
halt immer eine rechte Menschheitsplage.
Nichts hörte man als täglich Zank und Klage,
Vereinskrakeel und Zeitungsstreitigkeiten.

Ob Schande! man, ob Hanba! dazu sage,
blieb ein Problem, und einmal zu entscheiden
wer recht wohl hätte von den beiden:
beiden erst recht war eine nationale Frage.

Und dies zumal erbitterte die Böhmen:
die Deutschen hatten wahrlich alle Tage
in Östreich ihre ganz besondre Lage,
und jene wollten sich nicht anbequemen.

Um endlich auf des Krieges Völkerwage
das Hochgelegene zu Fall zu bringen,
könnt' ihnen doch der große Wurf gelingen:
die Deutschen hatten nun die Niederlage.

Es war geglückt, den Sieger zu besiegen,
und ob er an dem deutschen Gott verzage,
er kam in jene fürchterliche Lage,
in Österreich einmal allein zu liegen.

Doch daß dem andern der Triumph behage,
und daß die Katze munter weitermause,
behielt er einen Teil von ihm im Hause,
und daß geteiltes Leid sich leichter trage.

Sich selbst bestimmend, hat er's eingerichtet,
damit kein Zweifel am Gewissen nage
und er mit jenem dieses gleich erschlage;
und also ward der alte Streit geschlichtet:

Der Antwort folgt die nationale Frage.
Denn um sich ganz an Österreich zu rächen,
bestimmten sie, die konsequenten Czechen,
den Deutschen selbst nun eine neue Lage.

Die liegt nun gut in Tschechien gebettet;
und daß die Qual in alle Neuzeit rage,
die alte Klage, Frage, Menschheitsplage,
sie werden österreichisch fortgefrettet.

Und klingts nicht anders doch mit einem Schlage?
Ists nicht die Umkehr aller bösen Geister?
Der Arrestant versperrt den Kerkermeister,
Tag ward aus Nacht und diese folgt dem Tage.

Nur offen bleibt die nationale Frage,
ob denn die Katze nicht bei ihrer Jause
sich und der Maus gönnt eine Atempause,
damit die Katze halt, in solcher Lage,
nicht mehr die Maus, doch sich mit ihr vertrage.




Der Redner

Es ist nicht so einfach, mit ihm zu sprechen,
denn er hat die Gewohnheit, zu unterbrechen,
und wirft, kaum daß sie begonnen, in jede
Rede sofort seine Gegenrede.
Doch mag es indessen nicht jedem gelingen,
ihm gleich das nötige Stichwort zu bringen.
Viel besser darum als den anderen allen
pflegt er sich selber ins Wort zu fallen.
Einmal, als er heftig mit sich im Disput war,
und über manches Moment schon in Wut war,
war ich bereit, in Geduld mich zu fassen.
Er aber rief: bitte ausreden lassen!




An denselben

Nie wird sich einer, der das Wort nicht fand,
als stiller Hörer über dich beklagen.
Wer so viel Herz läßt sprechen und Verstand,
hat viel zu sagen.

Du regst es an, was man verhalten muß,
man dankt dir, was man auf der Zunge hatte,
und fühlt sich hochbefriedigt im Verdruß
solcher Debatte.

Ein Schwätzer schafft mir weit geringre Pein;
wo aus dem hohlen Raume Worte schallen:
keinem Gedanken fällt es füglich ein,
mir einzufallen.

Nicht jeder, den man hört, hat ein Gesicht;
nur seiner Rede Maß ist ungewöhnlich.
Du bist dir selbst, und ich verkenn' es nicht,
zum Sprechen ähnlich.


  Karl Kraus . 1874 - 1936






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