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Detlev von Liliencron
Neue Gedichte . 1. Auflage 1893



Intermezzo

Geigenklänge, nie gehörte,
Schönes Mädchen, nie gesehn -
Was verlangend mich bethörte,
Soll, ein Wunder, vor mir stehn?

Leicht beschuht, aus Wolkenschleiern,
Tritt die zarte Künstlerin,
Jugend will die Jugend feiern,
Reizend tritt sie vor mich hin.

Ihre dunklen Augen träumen
In ein offnes Sternenland,
Und sie läßt den Bogen säumen,
Fern entnebelt sich ein Strand.

Doch wie sie den Melodieen
Süßes Sehnen eingehaucht,
Muß ich ihren Himmel fliehen,
Und die gierige Erde raucht:

Durch die Herbstluft seh ich gleiten
Blatt um Blatt dem Boden zu,
Und es sinkt in Ewigkeiten
Sarg auf Sarg zu Rast und Ruh.

Kinderlärm und Trauerbahre,
Frühlingsgrün und dürres Laub,
Lindenschößling, weiße Haare,
Veilchentrost und Sensenraub.

Und der Holden sanfte Lieder
Sterben wie das letzte Glück,
Und sie schwindet lächelnd wieder
In den Wolkenflor zurück.


  Detlev von Liliencron . 1844 - 1909






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