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Gedichte, Lyrik, Poesie

Neue Gedichte
162 Bücher



Detlev von Liliencron
Neue Gedichte . 1. Auflage 1893



Sicilianen

(Der teutsche Tichter in Abdera.)

Du hattest heute wieder nichts zu essen,
Dafür aß jeder Straßenstrolch sich satt,
Die gute Stadt, in der du eingesessen,
Bringt dir sogar ein wütend Pereat
Und möchte dich mit Haut und Haaren fressen:
Ganz recht auch, daß er keine Suppe hat,
Sein Hochmut scheint uns gänzlich zu vergessen,
Er schreibt nicht mal für unser Wochenblatt.



(Winterbild.)

Ein großer Rabe, auf den Ast gedrückt,
Sticht ab als einziger Farbenstrich vom Schnee.
Nein doch! ein altes Mütterchen, gebückt,
Im Wind wie rot die Nase, Jemine,
Kommt mühsam, hüstelnd, trippelnd angerückt.
Im Schürzentuch die Linke, Frost thut weh,
Hält rechts sie einen Teller, kühn geschmückt
Mit eines sauern Herings Glorie.



(Überschwemmung.)

In Wasserstiefeln steh ich an der Pfütze
Und will hinüber. Auf der andern Seite
Erschrickt ein Mädel vor der weichen Grütze.
Ob, ein Christofer, ich den Bach durchschreite,
Daß ich als Träger ihre Schuhe schütze?
Sie nickt, als ich ihr meine Arme breite.
Doch unterwegs, was beugt sich meine Mütze?
Ich nahm mir schönsten Dank für mein Geleite.



(In reviendrai.)

Leb wohl, leb wohl. Vom Strand aus seh das Boot
Ich mehr und mehr auf weißen Wogen schwinden.
Nun hälts am Schiff. Es qualmt und dampft der Schlot,
Ich höre das Geräusch der Ankerwinden.
Die Pfeife schrillt, o dürft' ich, dein Pilot,
Ans Steuer mir dein schwankend Tüchlein binden.
Die dumme alte Sonne lacht und loht:
Mich, Lieber, wirst du morgen wieder finden.



(Allerliebst.)

Nein, Lieschen, hast du einen kleinen Schuh,
Stell mir den Fuß nicht so kokett entgegen,
Setz ihn zurück, bedenke meine Ruh,
Sonst bin ich um ein Schnellwort nicht verlegen
Und bitte gleich dich um ein Rendezvous
Auf höchst geheimnisvollen Waldeswegen.
Du thust es nicht? Du lächelst? Immerzu!
Nimm dich in Acht! Schon blitzt mein Siegesdegen!



(Vorfrühling am Waldrand.)

In nackten Bäumen um mich her der Häher,
Der ewig kreischende, der Eichelspalter,
Und über Farrnkraut gaukelt nah und näher
Und wieder weiter ein Zitronenfalter,
Ein Hühnerhabicht schießt als Mäusespäher
Pfeilschnell knicklängs vorbei dem Pflugsterzhalter,
Der Himmel lacht, der große Knospensäer,
Und auf den Feldern klingen Osterpsalter.



("Es zog eine Hochzeit den Berg entlang.")

Sie sang das Lied, die Worte sind verklungen,
Die Finger liegen lässig auf den Tasten,
Es wächst der Mond aus leichten Dämmerungen
Und grüßt ins Fenster, die Gedanken rasten,
Hört sie Musik? Vor hundert frischen Jungen
Flog grün ein Attila mit Silberquasten:
Durchs Herz geschossen ruht er, schlachtverschlungen,
Im grünen Attila mit Silberquasten.



(Richtet nicht, Pharisäer.)

Wie sich der Epheu rankt am starken Stamm,
Schmiegt sie sich an ihn mit den Psychebrüsten,
Den Locken schon entfiel der Perlenkamm,
Aus ihren Augen spricht ein süß Gelüsten.
Die Nacht ist schwül, die Mondessichel schwamm
In weicher Pracht vorbei an Sternenküsten
Und schielt nicht hin, ob Braut und Bräutigam
Sich auch zu regelrechter Hochzeit rüsten.



(Sommernacht.)

An ferne Berge schlug die Donnerkeulen
Ein rasch verrauschtes Nachmittaggewitter.
Die Bauern zogen heim auf müden Gäulen,
Und singend kehrten Winzervolk und Schnitter.
Auf allen Dächern qualmten blaue Säulen
Genügsam himmelan, ein luftig Gitter.
Nun ist es Nacht, es geistern schon die Eulen,
Einsam aus einer Laube klingt die Zither.



(Acherontisches Frösteln.)

Schon nascht der Staar die rote Vogelbeere,
Zum Erntekranze juchheiten die Geigen,
Und warte nur, bald nimmt der Herbst die Scheere
Und schneidet sich die Blätter von den Zweigen,
Dann ängstet in den Wäldern eine Leere,
Durch kahle Äste wird ein Fluß sich zeigen,
Der schläfrig an mein Ufer schickt die Fähre,
Die mich hinüberholt ins kalte Schweigen.



(Des Mannes Kampf.)

Ein Schlachtgetümmelbild in grellen Farben,
Harmonisch kaum das Grau im Hintergrunde,
Um kleinen Preis oft jahrelanges Darben,
Ein mühvoll Weiterwerk von Stund' zu Stunde,
Und reift einmal sein Feld zu vollen Garben,
Der Teufel steht mit Belzebub im Bunde.
Sein Lohn, sein Glück? Die Brust belaubt mit Narben,
Heilt endlich ihm der Tod die letzte Wunde.


  Detlev von Liliencron . 1844 - 1909






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