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Erfüllung
162 Bücher



A. De Nora
Erfüllung . 1. Auflage 1916



Hymne an den Schlaf

Ich hab' dich erfleht
Auf schmerzgerütteltem
Lager des Leidens,
Und nach dir geschrien
Aus angstdurchwühlten
Schweißbedeckten
Nächtlichen Kissen - -
Du kamest nicht!

Minut' um Minute
Wie glühende Tropfen
Flüssigen Eisens
Träufte die Nacht
Mit Henkerhänden
Auf meine Stirne - -
Du kamest nicht!

Gedanken sprangen
Wie bissige Hunde
Mir an die Brust
Und jagten und hetzten
Fast zu Tode
Das ängstlich wehrlos
In seinem Käfig
Flatternde Herz - - -
Du kamest nicht!

Morgens war mir
Als hört' ich dich nahn
Auf feinhinhuschenden
Kinderfüßchen.
Ich fühlte schon
An den Schläfen den Schatten
Den seltsam kühlen,
Lilaleuchtender Falterflügel - - -

Da nahte der Tag,
Der andere Henker,
Der flammrotbärtige höhnische Tag,
Und scheuchte dich roh
Von dannen.
In meine Augen, die schlummerhungrigen,
Trieb er die spitzen
Nadeln des Lärms - -
Und mir sank der Mut,
Ich flehte um Sterben - - - - - -
Bist du's nun endlich, Gütiger und Böser?
Befreier meiner Qualen! Fessellöser!
O nimm das Schrecklichste von meinen Brauen,
Dies immer offnen Auges nach dir Schauen -
Und lasse gleiten über meine Lider
Des Dunkels violette Decke nieder -
Und tauche meines Hirns erhitzte Zellen
In der Betäubung kühle Wunderwellen -
Und gib mir, was ich lange nicht besessen,
Den süßen Rausch der Seele, das Vergessen! -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
- Wie ferne Glocken, die im Takte klingen,
Vernehm' ich schon das Rauschen deiner Schwingen -
Dann sink' ich unter in die großen Meere
Des toten Nichts, der weltenlosen Leere.....
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Gut bist du,
Vater der Träume,
Wenn deiner Töchter zärtliche Hände
Unsere lebenentkleidete Seele
Mit ihren glänzenden Perlen
Schmücken!
Wendend und drehend
Erschaut verwundert
In deinem Spiegel die nackte Seele,
Sich fremd geworden,
Ihr eigenes Abbild.

Doch besser bist du, o Vater,
Wenn du uns selber
In deine Arme nimmst,
Uns umhüllend mit deinem großen
Schweren Mantel,
Durch den kein Laut
Und kein Traum mehr dringt,
Und darin nichts lebt,
Als die blindgeborene
Stumme und taube Finsternis!...

Am höchsten freilich
Würd' ich dich preisen,
Trügst du mich fort
Aus diesem Dasein,
So wie einer in einem purpur-
samtgefütterten Ebenholzschrein,
Fortträgt zu einem tiefen Brunnen
Ein köstliches Kleinod.
Seine unerschütterten Hände
Halten das wieder Wiege gewordene
Schwarze Särglein
Über den Abgrund -
Und den leise geöffneten Händen
Sanft entgleitend
Sinkt es hinab,
Hinab für immer In die dunkelblaue
Unendlichkeit.....


  A. De Nora . 1864 - 1936






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