Ikarus' Gesang

Mittag ist's, und von der Flügel Gefieder,
Die ich band an meine Schulter am Morgen,
Schmilzt das Wachs... Je schneller ich stieg, je schneller
Stieg mit mir das Rächende, das Verderben,
Und mit jedem Flügelschlage zur Höhe
Wuchs mein Sturz zur Tiefe. Der Menschen Schicksal,
Die den Göttern näher zu kommen wagen,
Ist: von strahlenden Gipfeln niederfallen
In die finstern Klüfte; denn es mißgönnen
Die Erhöhten Niedrigen, aufzusteigen
Und kein irdischer Wille trägt uns Ärmste
Weiter als die Überirdischen wollen - - -
Mittag ist's - und von den wächsernen Schwingen
Träufelt's gelb wie heiße goldene Tränen
In das Meer, das unten im Grunde lauert.....
Nicht mein Arm versagt, doch gleiten vom Arme
Fühl' ich Kiel um Kiel - und über ein kleines
Werden leere Hände im Leeren rudern - -.
Ohne Flügel zur Erde, die mich geboren,
Ohne Flügel kehr' ich zurück zum Sterben,
Doch nicht ruhmlos! Die Waffe nur war ungleich!
Aber größer, als das Große zu haben,
Ist, das Große gewagt zu haben, Götter!
Feige Götter! - O Sonne - - Sonne - - Sonne - -!


  A. De Nora . 1864 - 1936

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