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Ruhloses Herz
162 Bücher



A. De Nora
Ruhloses Herz . 1. Auflage 1908



Cäcilien-Konzert

In dem rauchigen Saale der "Goldenen Krone"
Sitzen heut abend, Kopf an Kopf
Gedrängt, die Bürger des kleinen Nestes
Und selbstverständlich an eigenem Tische
In der Mitte die Herren Honoratioren -
"Erstklassige Menschen" - und sogar
Ein Kapuziner und drei Kapläne.
Denn heute abend ist: "Festkonzert
Des Oberlichtheimer Kirchenchores
Zu Ehren der hl. Cäcilie".
Ihr Bildnis hängt an des Saales Hauptwand.
Die Harfe in den geweihten Händen
Schaut mit dem lieben Kindergesichtlein
Aus all dem Nebel von Staub, Tabakrauch
Und Kolophonium, still die Heilige
Herunter in das bunte Gewimmel ...
- Gläser klappern, Messer und Gabel,
Kinnladen und Zungen sind in Bewegung,
Dazwischen probt seine Klarinette,
Der alte taube Schuster, daß sie
Quietscht wie ein Ferkel, kratzend streichen
Die Geiger über die dürren Därme,
Bumbam, bald hoch, bald tief bambummelt
Die Pauke, die noch der junge Magister
Zu stimmen versucht - und dann
Beginnt
Das Konzert!
O heiliger Bimbam!
Und du noch heiligere Cäcilie!
Die Augen hinaufgerichtet
Zu der lieben, lächelnden Kleinen,
Hör' ich zu, mit traurigen Ohren.
Doch ... o Wunder! Die farbengedruckte
Himmlische Harfenistin bekommt
Auf einmal Leben!
Angstvoll wird und schmerzlich bewegt wird
Ihr Gesichtchen, die Harfe hält sie
Krampfhaft, gleich als hielte sie sich
Um nicht zu fallen ... und Stund' auf Stunde
Wird verzerrter, zorniger, entrüsteter
Wird verzweifelter ihrer Augen
Himmlischer Aufschlag, und die Harfe
Packt sie schließlich so wild, so wütend,
Daß ich fürchte, sie wirft nun demnächst
Dem tauben Schuster
Sie an die Nase...
Da! Horch!
Was ist das?! -
- Aus dem quieckenden, kreischenden, harten,
Ohrzerreißenden Lärm steigt plötzlich
Groß und glockenrein
Ein Ton
Empor!
Ein einziger Ton nur,
Doch ein wundervoller, so edler,
Klarer, seliger Geigenton,
Wie nur die Engel droben im Himmel
Einen finden, um Gott zu loben.
Woher kam er?
Wohin ist er geflohn?
Er kam und schwand wie ein fallender Stern.
Wie ein blindes Huhn eine edle Perle,
Fand ihn einer der ländlichen Geiger!
Wie Demanttau aus struppigem Dornbusch
Fiel ihm der Ton aus den alten Saiten!
Und er merkte es nicht - - -.
Aber die heilige Cäcilie
Hörte ihn! Alles Weh, aller Groll,
Aller Ärger verschwand von ihrem Gesichtchen;
Selig lächelnd schlägt sie nieder
Die schönen Augen und breitet segnend
Über alle,
Über sie alle,
Ihnen allen Verzeihung lächelnd
Um des einzigen Tones willen,
Die heiligen Hände.


  A. De Nora . 1864 - 1936






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