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A. De Nora
Ruhloses
Herz . 1. Auflage 1908
Zündhölzer
Kommt
ein kleines Mädel geschlichen
An meinen Tisch: "... Zündhölzer, Herr!"
"" Dank' schön, brauch' nichts!"" Das hab' ich
gestrichen,
Das ewige Wirtshausbettel-Geplärr!
Zündhölzer, Postkarten, Maßkrugdeckel,
Gipsbüsten, Pfeifen, Holzschnitzerei'n,
Sogar Meerschweinchen und Papagei'n!
Das Zeug wird einem wahrhaftig zum Ekel!
- - Doch während ich's denke, immer noch steht
An meinem Tisch die zudringliche Göhre,
Und wieder im gleichen Tonfall höre
Ich singen: "Zündhölzer, Herr!" ...
Das
geht
Mir über den Spaß. Einen Tisch weiter vorn
Bettelt schon eine andre daher
Vom Genre "Blumenmädchen"! Ein altes,
Verlebtes, heruntergekommenes Stück
Von Frauenzimmer! Mich faßt der Zorn.
"Geh' zum Teufel!" sag ich. Drüben schallt es
Inzwischen immer: " ... Blumen, mein Herr?
Vielleicht für den Schatz? Auf den Weg zum Glück!" ...
Und ein Blick dazu! Na, kennen wir ja.
Von Tisch so zu Tisch.
Doch
immer da
Steht noch mein Kleines, und als versuch' es
Das letzte Mittel, das sicher zieht,
Fügt es dazu die im Augenblick
Gehörten Worte: "Vielleicht für den Schatz?
Zündhölzer, Herr? Auf den Weg zum Glück!"
Da schau ich sie an. Ein armer Fratz
Von sieben, acht Jahren; mit Augen, müd
Und eingefallen; mit mageren Wangen
In einem dünnen Fetzen von Kleid.
- Herrgott! Jetzt! In der Faschingszeit! -
So streckt sie zitternd mit elenden,
Blauen, kleinen, hageren Händen
Die Schachtel mir her mit dem bunten Bild.
- - Mein Zorn verraucht, mein Grimm ist vergangen.
"Gib her!" Eine Silbermünze drück'
Ich ihr ins Händchen; sie lächelt mild
Und traurig; und weiter schleicht sie fort
Von Tisch so zu Tisch: "Auf den Weg zum Glück" ...
Mich aber packte das dumme Wort.
Zum Glück? Zum Schatz? Warum nicht!
He
-
Was ist heut'? Mittwoch. Bal paré!
Warum auch nicht? -
Und den
Hut genommen
Und heim! In den Frack. Eine Stunde drauf
Bin ich schon mitten im Strom geschwommen.
Dominos knistern, aus schwarzen Larven
Blitzen die schelmischen und die scharfen
Mißtrauisch suchenden Augen auf -
Und dann die Quadrill'! Gerase! Gekreisch!
Fliegende Röcke, blinkende Zähne!
Nackter Arme und Brüste Fleisch!
Und alles, alles: "Madame sans-gene" ...
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Die Zündhölzer hatt' ich erst nötig um zwei.
... Das Mädel war süß und der Wein war gut,
Wir mußten löschen die heiße Glut
Und - des Liedes Ende heißt: Tandaradei ...
Wir stiegen drei schweigende Treppen empor
Auf "den Weg zum Glück", die kleinen Kerzchen
Brannten so lange als sich's gehört,
Geräuschlos ging auch die Tür, auf dem Ohr
Lag Vater und Mutter. Das Töchterlein
War lieb, und weich ihr Bett und ihr Herzchen,
Und niemand hat uns gehört und gestört.
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Eine Stunde später, wieder allein,
Hab' ich das zweite Kerzchen entzündet.
Mit Summen und Lächeln, die Wangen heiß,
Die Lippen und Zunge noch wund geküßt,
Stieg ich herunter die Treppen. Wer weiß,
Wo jetzt das kleine Mädel ist,
Das gestern den Weg zum Glück mir gekündet!
Ich öffne das Haustor, langsam und sacht.
Draußen: eiskalte Februarnacht.
Da fällt meines Kerzchens letztes Gezündel
Noch auf ein Dunkles zu meinem Fuß,
Das in der Ecke des Torwegs liegt.
Was ist's? Ich stoße dran hin. Ein Bündel
Alter Kleider. Doch nein! Das muß
Ein Körper sein! Und hinuntergebückt.
Wahrhaftig ja! .... Das flackernde Lichtchen
Zeigt mir ein blasses Kindergesichtchen
Mit Augen, eingefallen und müd',
Und hageren Händen und mageren Wangen.
Aber kalt - mit offenem Augenlid
Starrt es mich an. Nur ein Lächeln zieht
Um die Lippen.
Schaudernd
denk' ich zurück.
"Zündhölzer, Herr? Auf den Weg zum Glück!"
- - Wir sind ihn in einer Nacht gegangen.
A.
De Nora . 1864 - 1936
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