Ballade

Sah eine Jungfrau die Tür offen stehen,
schritt sie hinaus, um einen Baum zu küssen
und seine Blütensterne.

Sah sie eine Straße vor sich hinlaufen,
sang ein Vogel: Komm, o lächelnde Süße,
es wartet die Ferne!

Brach sich die Magd einen Stab zum Wandern,
ging Tage und Nächte durch Wiesen und Wälder
und umarmte die Sonne.

Begann eine Rose in ihrem Herzen zu blühen,
begann eine Stimme in ihrer Seele zu jubeln:
O Leben, du köstlichste Wonne.

Sie fühlte sich müde, sah einen Mann auf der Straße
und winkte: Fremder willst du mir Stütze sein?
Er nickte ihr zu.

Drauf schritten sie beide in den dämmernden Abend
und suchten Schlaf in einem einsamen Stall
zwischen Esel und Kuh.

Als nun die Nacht ihr Sternenkorn säte,
hörte die Magd im Dunkeln die Sonne rufen
und gebar Jesu.


  Alfons Petzold . 1882 - 1923

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