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Alfons Petzold
Gesang
von Morgen bis Mittag . 1. Auflage 1922
Aus: Johanna
Ich staunte lange, als es kam,
und wußte nicht, wie es geschah,
als eine meine Hände nahm
und tief in meine Augen sah
Und über meine Stirne strich
und lächelnd sprach in Qual und Not:
Ich lieb nur dich und wieder dich,
dein Kampf ist gut und süß dein Brot.
Deine Liebe ist ein Becher,
gefüllt mit edlem Wein.
Ich will der ewig trunkne Zecher
sein.
Ich trinke alle Nächte, alle Tage
und halte einsam fröhliche Gelage,
mein Mundschenk ist die Sehnsucht tief in mir
nach dir!
So schön wie du ist die Birke nicht,
aber sie hat doch dein Gesicht,
wenn sie nachts aus dem Dunkel schaut,
ganz von Liebe und Licht betaut.
O wäre ich ein Vogel, in ihrem grünen Haar
würde ich singen die tausend Jahr!
Lebt denn noch etwas außer uns beiden auf der Erde,
in der Abendstunde, wo du bei mir bist?
Nur in den Sternen erspähe ich eine Gebärde,
höre ich eine jubelnde Stimme, die Gottes ist.
Doch nein! Gott bin ich selbst, denn ich Seliger halte
dich in den Armen, und du bist die blühende Welt;
aus all meinen Poren, aus jeder verborgenen Falte
strömt freudiges Licht, das alles Dunkel erhellt.
Menschen schreiten an uns vorüber, in Dämmer und Schatten
ohne Bewußtsein des Glückes, das in uns ersteht,
wenn in Abend und Stille der Arbeitsmüden und Satten
meine Seele in deinen Tempel beten geht.
O Glück dieser Stunde, dies letzte Umfassen des Tages,
innig in dir, bevor der goldne entschwebt!
Kleid meiner Seele, unsterbliche Freundin, o sag es,
spürst du es nicht, wie Ewigkeit in uns bebt?
Bekleidet mit der reifen Köstlichkeit
des Alters, das noch Tanz und Spiele liebt,
mit einer Seele, die nur gibt und gibt,
gehst du an meiner Seite schon so weit,
doch ohne Spur von schwerer Lebenslast,
die rings die Wanderer zu Boden drückt -
Stolz gehst du neben mir, noch ungebückt,
und bietest mir den Arm zur guten Rast.
Was wüßte ich von dieses Daseins Glanz?
Du bist es, die mir Sinn und Auge richtet
auf alles Schöne, mich verstehen läßt
das Erdenkreisen und den Sternentanz -
und selbst das feinste Staubkorn wirkt und dichtet
an unserm wundervollen Ehefest.
Ich werde mich an dich erinnern, mein Kind,
wenn die Kleider deiner Mädchenjahre
längst Papier geworden sind.
Auf dem ich vielleicht Gedichte schreiben werde
über Gott und die Sonne und die schönen Dinge der Erde,
und mitten im Schreiben,
die Feder wird mir stecken bleiben,
weil ein Duft aus dem Papier mir entgegeneilt,
der so stark und so süß nur in deinen Kleidern weilt.
In deinen Augen schläft nun die lange, lange Nacht,
Wald Ewigkeit wächst um dein glückliches Herz,
du träumst, wie Gott mit den englischen Heiligen lacht,
und hörst nicht, Stille, meinen rufenden Schmerz: Geliebte!
Es fliegt eine Amsel über den weiß, weißen Schnee,
singt mitten im Winter ein Lied so süß und so weh!
Sie schaut mich mit deinen seligen Augen an -
O daß ich den Vogel nicht fangen und pflegen kann. Geliebte!
Alfons
Petzold . 1882 - 1923
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