Sommerstunde

Die Tage scheinen ewig, das Getreide
neigt sich beglückt der nahen Ernte zu
und nachts geht vom Gebirge bis zur Heide
ein junger Bauer ohne Rast und Ruh.
Aus einem Stern am fernen Horizonte
herausgetreten, zählt er nun die Frucht,
die sich am Tag in seiner Liebe sonnte
und noch im Dunkel seine Gnade sucht.

Die Straßen durch das Land sind vollgesogen
vom Duft, der aus geheuten Feldern steigt,
in dem ein unsichtbarer Meisterbogen
die tiefe Melodie der Fülle geigt.
Die Bauernpferde stehn noch in den Ställen
im halben Schlafe, träumend von dem Tag,
wo sie, umjubelt von dem Hundebellen,
festliches Erntezierat schmücken mag.

Und jetzt zu Mittag, wenn im Turmgestühle
die schwarze Glocke zwölfmal ehern dröhnt
und in des Waldes grünem Blattgewühle
nur eines Heimchens leises Stimmlein tönt,
lauscht jeder Halm und jede Wiesenblume
mit angehaltnem Atem unbeirrt,
ob nicht der Zauberstock der Rockenmuhme
mit einem Feldstein schrill zusammenklirrt.


  Alfons Petzold . 1882 - 1923

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