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Gesicht in den Wolken
162 Bücher



Alfons Petzold
Gesicht in den Wolken . 1. Auflage 1923



Das Gesicht Gottes

Ewig im Nächtlichen schwebt
Gottes Gesicht durch den Raum.
Schon der Mann, der im Scheine
düster flackernden Urlichts
riesige Echsen beschlich,
sah es im Nebel aufbleichen
und wurde erstarrender Schrei.

Inmitten des mordenden Eises Nebel,
über den Wassern der Weltflut,
umdonnert von wankender Erde,
wenn sich voll Grauen der Tag
in die Tiefe des Westmeeres stürzte,
die Tiere und Menschen, zur Erde geworfen,
Schlaf für das irre Gehirn ersehnten,
schwebte wie aus dem Dunst der Leichen
zusammengeballt,
von Entsetzen umrauscht,
von Bitten und Gebeten umflattert,
lautlos und furchtbar Gottes Gesicht dahin.

Menschen begannen zu rasen gegeneinander,
blutige Bäche rieselten über Ebenen,
Kadaver hügelten sich auf,
umlagert von ermattetem Kriegsvolk,
letzte Sonne erstickte in Rauch und Qualm.
Pest ritt auf knöchernem Rosse,
entvölkerte Dörfer und Städte,
und heulende Hungerwölfe
stürzten ihr nach in den Abend,
aus dem es sich hob,
feuerumzüngelt,
blutbeglänzt,
hinschwebend vor dem Schiefergewölke der Nacht:
Das Gesicht Gottes.

Rad greift dröhnend in Rad,
über stählerne Walzen schleifen zischend Riemen,
Männer, auftauchend aus roter Glut,
schaufeln keuchend Kohle und Erz.
Dampfsirenen posaunen die Stille der Nacht tot,
Feuersäulen steigen zum Himmel empor,
saugen die Sterne ein,
Lärm der Arbeit stürzt über ängstlichen Menschenschlaf.
Im ewigen Tag der Hände erzittert die Erde,
duckt sich unter hindonnernden Eisenbahnzügen.
Wasser, bezwungen von Schleuse und Stauwerk,
rauscht seine Klage dem Mond entgegen,
der zwischen rauchausstoßenden Essen
wie der Kopf eines Gehängten pendelt.
In einer dämmrigen Arbeiterstube,
starrt, die heißen Augen ans Fenster gedrückt,
ein Knabe in die ermordete Nacht hinaus.
Schwer nur atmet des Kindes Brust,
es bäumt sich krampfig sein Leib,
lautlos schreit es und schreit es,
denn seine Blicke umfassen ein Antlitz,
vom Blut der Wunden beträuft,
die das Feuer der Hochöfen und Fabriken
der armen Dunkelheit schlägt:
Das Gesicht Gottes,
das, ewig im nächtlichen Raume schwebend,
duldet und schweigt.


  Alfons Petzold . 1882 - 1923






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