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Gesicht in den Wolken
162 Bücher



Alfons Petzold
Gesicht in den Wolken . 1. Auflage 1923



Die Völkerflut

Wir sind gestaute Völkerflut vor Gott:
wir Europäer und Asiaten, wir Amerikaner, Neger
und Malaien.
Wir schritten dahin im Trieb des Geistes nach Ferne,
die Köpfe gesenkt wie Büffel auf ihrer Wanderung,
schauten nicht links noch rechts, blickten immer nach vorne,
wo die Fahnen schwankten, die Standarten, Roßschweife,
eine Wolke von Farben, metallenem Funkeln, Sonnenkreisen
und lockenden Bildern gewaltiger Wünsche.
Wir überstiegen die Wälle von Jahrtausenden,
durchwateten die Meere der Urzeit,
und in den Busen unserer Wanderung
bauten wir, wie im Spiel und halb umfangen vom Traum
der Müdigkeit,
Tempel und Städte,
die wir dann wieder zerstampften,
daß uns der Staub um die Schädel und bis zu den Sternen flog.
Uns hielt nichts auf, nicht der Ahnen Mumien und Moder,
nicht Sesostris, der Macedonier Alexander, Kaiser Augustus,
Tamerlan, Napoleon,
nicht die thebanischen Heiligtümer, Jerusalems goldener
Tempel, der schwarze Stein der Kaaba in Mekka, Benares
diamantene Götterpaläste, die gotischen Münster,
nicht die Diana von Ephesus, Anguilotis Moses, Buddho
Gautamos Rätselblick auf Ceylon, des Nazareners furchtbares Kreuz,
nicht der Fetisch des Basutonegers, nicht der Talisman des Südseeinsulaners.
Wir umkrampften die Lanze, das Beil, das Buch, den Pflug,
der Ochsen Hörner, das Vlies der Schafe und die Zügel der Pferde
und wanderten, den Blick in den undurchdringlichen Wald
der Standarten und Fahnen vor uns gehängt,
weiter und weiter über die Fläche der Zeit.
Und wir wuchsen gewaltig an Zahl wie Heuschreckenschwärme:
Arm rieb sich wund an Arm, der Atem verbrühte des Vormannes Rücken,
Herz schlug gegen Herz und die Gehirne klebten sich zusammen.
Wohl fielen wir über die Schwächeren her,
würgten uns Raum, mordeten, daß es anfing, Blut zu regnen,
doch die Schöße unserer Frauen waren mächtiger als unsere würgenden Hände.
Wir wuchsen und wuchsen,
bis daß unsere Scharen die verborgenste Insel bedeckten,
die Wüsten erfüllten
und die Letzten unserer Nachhut am eisigen Ende der Erde standen.
Da ... ein unerhört gewaltiges Gebrüll braust aus uns, der Masse Mensch -
wir können nicht mehr weiter -
und nicht ist es die Geste eines einzelnen,
nicht die dämonische Wut der Elemente,
nicht der von uns oft so gelobte Krieg,
nicht der aus Blut und Lehm geformte Leib eines neuen
Gottes oder einer neuen Göttin,
was uns hemmt im stampfenden Vorwärtsschreiten.
Wir stemmen nach vorne -
wir rasen tierhaft auf -
Dünste der Angst wölken auf -
Wutgebrülle, Wehegeheul, irrsinniges Lallen und Beten -
wir prallen zurück -
o grausam erhabener Anblick!
Unsere Standarten, Fahnen, all unsere bunten und metallisch
strahlenden Heerzeichen
sind zur Erde niedergeprasselt -
Und es sitzet gegen den Horizont gelehnt,
die schwarzbasaltenen Hände auf Sonne und Mond gestützt,
ein Steinlächeln im abgründigen Angesicht:
                    GOTT.


  Alfons Petzold . 1882 - 1923






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