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Gesicht in den Wolken
162 Bücher



Alfons Petzold
Gesicht in den Wolken . 1. Auflage 1923



Psalm

Kann einer von uns schwankenden Menschen
das Wesen der Liebe ergründen?
Ohnmacht im Denken und Wort
erfüllt uns alle vor ihr.

Sie reicht bis in die Seele Gottes
und ist die Flamme,
die ewig
aus seinem glühenden Herzen steigt.
Ihr Atem ist Lobgesang der Welten;
wer ihm lauschen darf,
dem wird geschenkt
das Lächeln über den Tod.

Ich habe einmal die räudigen Schafe
des Elends gehütet
mit der Peitsche Haß,
umsprungen vom Hunde Hunger,
war arm wie Hiob
und einsam wie die greisen Adler
des Libanon.
Ich fluchte dem prahlenden Gold der Sonne
und nachts drückt´ ich zu Boden mein Gesicht,
um nicht die silbernen Sterne zu sehn.

Kamen die anderen Hirten des Tales
vor meine Hütte,
waren sie mir Gefäße, in die ich die Flut
meines giftigen Hasses
strömen ließ.
Ich trat mit Hohn die Feuer aus,
die sie zur Ehre ihrer großen Gesichte
anbrannten im dunklen Abend,
und Spott spie ich in ihre heiligen Kelche
und nannte sie Narren,
wenn sie von Liebe sprachen.

Dumpf sang ich der Finsternis Lob,
in der ich die ächzende Not verbarg,
bohrte den Blick in schwarze Erde
und war eine einzige Wunde,
vom Tage mit tausend Schmerzen beteilt;
ich eiterte Wut aus
und spürte brennende Freude,
sah ich in Qual
einen Bruder stehn.

Doch eines Tages stand sie auf einmal vor mir,
die lange verlästerte
und blutig gehaßte
Liebe,
trat furchtlos in meine Nacht,
trieb mir aus dem Herzen mein feindliches Staunen
und nahm mir das fluchende Wort
vom Munde.
Sie ließ mich sehr
an meine tote Mutter denken,
bis mein Herz
ein büßendes Weinen verströmte,
das über das Feld meiner Seele flutete
gleich einem steigenden Meere,
in dem meine Bitternis ertrank;
und herausstieg
die Freude des Lebens.

Und als ich rein war vom Haß
und der Zärtlichkeit zu allen Dingen voll,
gleich einem Morgen im Mai,
tönte in mir ein Klingen auf,
das mich zum Tanze über die Erde
hinriß.

Ich tanze noch
im Arme der Liebe
voll des Rausches:
ein Mensch zu sein;
woher ich komme,
wohin ich schwebe,
ich Vielbeglückter
weiß es nicht.


  Alfons Petzold . 1882 - 1923






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