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Alfons Petzold
Totentanz
. 1. Auflage 1923
Der Tänzer
Gott entlockte mich dem Schlummer,
der mich kühl und sanft umschloß,
und Musik, die aus dem Kummer
und dem Leid der Menschen floß
hüllte mir wie eine Wolke
Leib und Seele feurig ein,
und zum Tanze vor dem Volke
muß ich heben Bein um Bein.
Ueber Straße, Platze und Anger,
an den Menschen gehts vorbei,
denn sie sollen, elendschwanger,
hängts an ihnen auch wie Blei,
so gleich mir die Füße heben
zu der stöhnenden Musik,
während die Dämonen schweben
über zuckendem Genick.
Doch sie bleiben in der Pose
ihres Jammers stumm und steif,
Bürger, Dirnen, Arbeitslose,
Fürsten mit dem Kronenreif,
Bettler, Pfaffen und Proleten,
vogelfrei und stubenblind,
Prasser, Heil'ge und Propheten,
Weib und Mann und Greis und Kind.
Tanzend schwing ich mich vorüber
an Theater und Fabrik,
Zinskasernen sieht mein trüber,
nachtumflorter Irrsinnsblick.
Dreht euch, dreht euch mit im Kreise!
Tanz ist unsres Lebens Sinn!
Ach, sie höhnen mich nur leise,
und allein stürm ich dahin.
Tanz ist Andacht, Tanz ist Beten,
Gott hat mich zu Euch geschickt.
Euer müdes Pflastertreten
jede blüh'nde Stunde knickt!
Fluch und Schimpf schlägt mir entgegen,
der mein Rufen jäh zerbricht,
und aus geiferndem Erregen
speit man mir ins Angesicht.
Doch erfüllt von der Ekstase
Gottes, der mich ganz besitzt,
dreh ich mich herum und rase,
von dem Zorn der Welt umblitzt
taumle ich vom Schwung zum Schwunge
durch die grauenvolle Zeit,
freß ich Feuer mit der Lunge,
mit dem Herzen Gram und Leid.
Alfons
Petzold . 1882 - 1923
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