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Alfons Petzold
Totentanz
. 1. Auflage 1923
Die ewigen Mütter
Starb je ein mütterlicher Leib, in dem sich Schmerz
und Lust zu einem neuen Menschen einte?
Verwandelte sich je solch Fleisch in Erz,
wenn es nicht Staub ward oder gar versteinte?
Ich kann nicht glauben, daß er Wolke ward,
Luft, Wasser, Hauch, den niemand sieht und fühlt,
und daß ihn nach der reichen Lebensfahrt
ein Strom hinunter in das Nichtsein spült.
Ein Weinen gibt es, das die Steine sprengt,
doch kommt es nicht aus tollen Männerlenden -
gestorbene Mütter, die der Gram versengt,
weil sie nicht dürfen mehr mit ihren Händen
die Kinder hüten, schenken es der Welt ...
Da geht ein Rauschen Tag und Nacht einher -
bald ist es wie ein Bach, der silbern fällt,
bald wie das tieferzürnte, wilde Meer.
Und mit den Tränen geht die Sehnsucht mit,
noch einmal göttliches Gefäß zu werden;
vergessen ist das Leid, das jede litt,
der Schwangerschaften häßliche Beschwerden.
War es daheim, war's in dem Krankensaal,
auf Stolz gebettet oder nur auf Scham ...
O wie armselig war doch alle Qual
für das, was dann mit einem Kinde kam!
Nicht eine, die, erstarrt vor unserm Blick,
aus ihrem Mutterdasein sank in Erde,
bleibt tot. Ein unbeendigtes Geschick
spricht über ihrem Grab gelassen: Werde!
Von Zeit zur Ewigkeit spannt sich ein Pfad,
drauf wandern immerwährend viele Fraun;
demütig und doch reich an stolzer Tat
sind sie dem inneren Gesicht zu schaun.
Ein Feuer fällt - sie wandern ruhig hin!
Die Erde stöhnt - sie bleiben lächelnd stehen!
Flut steigt empor - jedoch in ihrem Sinn
lebt nur das eine lächelnde Geschehen.
Auf ihren Lippen blüht ein Lobgesang
um das vermorschte Mauerwerk der Zeit ...
Ja, sie sind da, ich höre ihren Gang,
schwer in der Fülle ew'ger Trächtigkeit.
Alfons
Petzold . 1882 - 1923
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