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 Joachim Ringelnatz
 Allerdings
. 1. Auflage 1928
 
 
 
 
 
Ritter Sockenburg Wie du zärtlich deine Wäsche in den WindHängst, liebes Kind
 Vis á vis,
 Diesen Anblick zu genießen.
 Geh ich, welken Efeu zu begießen.
 Aber mich bemerkst du nie.
 
 Deine vogelfernen, wundergroßen
 Kinderaugen, ach erkennen sie
 Meiner Sehnsucht süße Phantasie,
 Jetzt ein Wind zu sein in deinen Hosen -?
 
 Kein Gesang, kein Pfeifen kann dich locken.
 Und die Sehnsucht läßt mir keine Ruh.
 Ha! Ich hänge Wäsche auf, wie du!
 Was ich finde. Socken, Herrensocken;
 Alles andre hat die Waschanstalt.
 Socken, hohle Junggesellenfüße
 Wedeln dir im Winde wunde Grüße.
 Es ist kalt auf dem Balkon, sehr kalt.
 
 Und die Mädchenhöschen wurden trocken,
 Mit dem Winter kam die Faschingszeit.
 Aber drüben, am Balkon, verschneit,
 Eisverhärtet, hingen hundert Socken.
 
 Ihr Besitzer lebte fern im Norden
 Und war homosexuell geworden.
 
 
 Joachim
Ringelnatz . 1883 - 1934
 
 
 
 
 
 
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