Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Schmetterlinge
162 Bücher



Carl Spitteler
Schmetterlinge . 2. Auflage 1907



Tau

Sie folgen bloß den eingepflanzten Trieben,
Mit wahrer Liebe können sie nicht lieben."

Ihr meint wohl, wahre Liebe könne wesen
Allein bei denen, die Novellen lesen?

Ich fand an einem Sonn- und Sommertag
Ein Fräulein Tau, tanzend im Gartenhag,
Und weil das Tanzen Sonntags unerlaubt,
Nahm ich das leichte Fräulein schnell beim Haupt,
Dann steckt' ich's in ein sicheres Verließ,
Wonach ich's mit nach Hause kommen hieß.

Doch siehe da, von allen Seiten her
Die Herrn von Tau mit heftigem Verlangen
Flogen herbei und wurden mitgefangen.
Wie viel ich aber fing, es kamen mehr.
Taumelnd vor Gier und toll vor süßer Pein,
Gleich Kugelbällen, die aus einem Rohr
Kreiseln in pfeilgerade Bahn hervor,
So flogen sie in meinen Rock hinein.
Sie scheuten nicht Gefahr und Qual und Sterben
In ihrem echten, ungestümen Werben.
Selbst im geschloss'nen Zimmer noch erschien
Ein Liebesritter plötzlich im Kamin.

Ihr rechnet wohl auch dieses zu den Trieben?
- Mag sein. Mit Worten wollen wir nicht schieben.
Allein wie viele unter euch, ihr Herrn,
Wenn die Geliebte würde weggetragen
Von einem Untier, tausendmal so groß
Wie ihr, kämen herbeigestürzt von Fern
Und würden ohne Fragen, ohne Klagen,
Sonder Gewehr und aller Waffen bloß
Den Martertod an ihrer Seite wagen?

Ich fürchte sehr, die eingepflanzten Triebe
Vermöchten's über eure wahre Liebe!


  Carl Spitteler . 1845 - 1924






Gedicht: Tau

Expressionisten
Dichter abc


Spitteler
Extramundana
Schmetterlinge

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Tau, Carl Spitteler