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Eduard Stucken
Das
Buch der Träume . 1. Auflage 1917
Vision
Zum Friedhof, blank im Mondenlicht,
führte mich einst ein Nachtgesicht.
Grabschriften las ich dort und fand
eine, Immortellen-umkränzt ...
weiß starrte empor, mondbeglänzt,
aus dem Grab eine Mädchenhand.
Sie hob sich drohend, schauerlich,
eine Anklage gegen mich.
Da kniete ich neben das Grab
und schaufelte Erde darauf;
doch immer hob die Hand sich auf
und nimmer sank die Hand hinab.
Milchig, mit Rosennägeln, schlank
war die Hand, die ins Grab nicht sank.
Und ich, - erfaßt von Grau'n und Wut, -
nahm mein Messer, und ich zerschnitt
wie eine Frucht die Hand damit - -
auf Grabblumen sickerte Blut.
Doch aus dem Grab, weiß wie zuvor,
ragt noch immer die Hand empor.
Seitdem vergingen Jahre schon;
und in Nächten immer noch schwebt
vor mir die Hand, die sich erhebt,
um mir zu winken, mir zu drohn.
Eduard
Stucken . 1865 - 1936
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