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Gedichte, Lyrik, Poesie

Einsiedler und Genosse
162 Bücher



Bruno Wille
Einsiedler und Genosse . 1. Auflage 1890



Auf Leben und Tod

                              "Denn wenn den Schnee zum ersten Mal
                              ein Blümlein sieht,
                              Dann wundert sich's, daß also weiß der
                              Schnee,
                              Und Blümlein spricht: "Mich wird der
                              Schnee doch nicht verletzen,
                              Mir weh thun nicht; - er ist so weiß!"
                                     (Der Rhapsode der Dimbovitza.)


In üppigen Sonnenfluten
Badet sich der Park,
Der mit glänzendem Blättergewoge
Grausteinerne Häuserwälle bespült.

Aus schattiger Straßenmündung strömt,
Buntblitzenden Wellen gleich,
Blütenfarbig geputztes Volk:
Mädchen mit buntbebänderten Hüten,
Blühenden Augen, schimmernden Zähnen.

Das Plaudern plätschert
Der Ruhebank vorbei
Unter lila blühendem Flieder,
Wo ich sitze bei spielenden Kindern.
Im Strauche flötet die Nachtigall;
Fernes Konzert
Weht mit Düften süß heran
Und zittert in meiner Seele ...

Sanftes Mädchengesicht
Unter schüchternem Sommerhut,
Blaues Blütenauge,
Ich könnte dich lieben!
Doch zages Träumen hält mich fest,
Und dich entführt die Flut ...

Und wieder wehen mit Fliederduft
Accorde schmachtend, schwellend;
Und meine Seele zittert
Von süßem Sehnsuchtsschauer.

Sieh, das Weib
Im dunkeln Kleide,
Stolz,
Mit rundem Busen
Und schwarzer Augenglut!

Mein Herz entbrennt
Und pocht in wilder Sehnsucht.
Was brennst du so?
Ist das die Seele,
Die heiß umschlingend
Dein zehrend Schmachten stillt?
Soll ich ihr folgen, pochendes Herz? -
Ich wag' es nicht;
Mir wird so schwül und bang.

Denn vielleicht - was weiß ich! -
Blüht Gift im dunkeln Auge
Und verzehrt mir qualvoll
Wangen und Seele. -
So ist die Liebe!
Auf Leben und Tod!

Oder ist dies Strahlenauge
Mir Quelle ewiger Wonne? -
So geh zur Quelle, schmachtendes Herz!
Sonst verspült die Flut dein Glück! -

Ja, ich gehe!
Noch eine Sehnsuchtswelle,
Und hingerissen folg' ich,
Zu lieben auf Leben und Tod ...

Doch wehe! Mir schwindelt;
Ich wanke, zu stürzen
In glitzernde Wellen
Des Menschenstromes.
Halt dich fest, bethörte Seele!
Jedwede liebliche Welle
Ist Liebe auf Leben und Tod! -

Doch horch, die Nachtigall lockt so heiß,
Berauschend wehen Musik und Duft,
Und Menschenaugen blühen so schön ...
Wohlauf in den Strom der Seelen,
Zu lieben auf Leben und Tod!


  Bruno Wille . 1860 - 1928






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