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Gedichte, Lyrik, Poesie

Sebastian im Traum
162 Bücher



Georg Trakl
Sebastian im Traum . 1. Auflage 1915



Verwandlung des Bösen

    Herbst: schwarzes Schreiten am Waldsaum; Minute
stummer Zerstörung; auflauscht die Stirne des Aussätzigen
unter dem kahlen Baum. Langvergangener
Abend, der nun über die Stufen von Moos sinkt; November.
Eine Glocke läutet und der Hirt führt eine
Herde von schwarzen und roten Pferden ins Dorf.
Unter dem Haselgebüsch weidet der grüne Jäger ein
Wild aus. Seine Hände rauchen von Blut und der
Schatten des Tiers seufzt im Laub über den Augen
des Mannes, braun und schweigsam; der Wald. Krähen,
die sich zerstreuen; drei. Ihr Flug gleicht einer Sonate,
voll verblichener Akkorde und männlicher Schwermut;
leise löst sich eine goldene Wolke auf. Bei der Mühle
zünden Knaben ein Feuer an. Flamme ist des Bleichsten
Bruder und jener lacht vergraben in sein purpurnes Haar;
oder es ist ein Ort des Mordes, an dem ein steiniger Weg
vorbeiführt. Die Berberitzen sind verschwunden, jahrlang
träumt es in bleierner Luft unter den Föhren;
Angst, grünes Dunkel, das Gurgeln eines Ertrinkenden:
aus dem Sternenweiher zieht der Fischer einen großen,
schwarzen Fisch, Antlitz voll Grausamkeit und Irrsinn.
Die Stimmen des Rohrs, hadernder Männer im Rücken
schaukelt jener auf rotem Kahn über frierende Herbstwasser,
lebend in dunklen Sagen seines Geschlechts
und die Augen steinern über Nächte und jungfräuliche
Schrecken aufgetan. Böse.
    Was zwingt dich still zu stehen auf der verfallenen
Stiege, im Haus deiner Väter? Bleierne Schwärze. Was
hebst du mit silberner Hand an die Augen; und die
Lider sinken wie trunken von Mohn? Aber durch die
Mauer von Stein siehst du den Sternenhimmel, die
Milchstraße, den Saturn; rot. Rasend an die Mauer
von Stein klopft der kahle Baum. Du auf verfallenen
Stufen: Baum, Stern, Stein! Du, ein blaues Tier,
das leise zittert; du, der bleiche Priester, der es hinschlachtet
am schwarzen Altar. O dein Lächeln im
Dunkel, traurig und böse, daß ein Kind im Schlaf
erbleicht. Eine rote Flamme sprang aus deiner Hand
und ein Nachtfalter verbrannte daran. O die Flöte des
Lichts; o die Flöte des Tods. Was zwang dich still
zu stehen auf verfallener Stiege, im Haus deiner Väter?
Drunten ans Tor klopft ein Engel mit kristallnem
Finger.
    O die Hölle des Schlafs; dunkle Gasse, braunes
Gärtchen. Leise läutet im blauen Abend der Toten
Gestalt. Grüne Blümchen umgaukeln sie und ihr Antlitz
hat sie verlassen. Oder es neigt sich verblichen über die
kalte Stirne des Mörders im Dunkel des Hausflurs;
Anbetung, purpurne Flamme der Wollust; hinsterbend
stürzte über schwarze Stufen der Schläfer ins Dunkel.
    Jemand verließ dich am Kreuzweg und du schaust
lange zurück. Silberner Schritt im Schatten verkrüppelter
Apfelbäumchen. Purpurn leuchtet die Frucht im
schwarzen Geäst und im Gras häutet sich die Schlange.
O! das Dunkel; der Schweiß, der auf die eisige Stirne
tritt und die traurigen Träume im Wein, in der Dorfschenke
unter schwarzverrauchtem Gebälk. Du, noch
Wildnis, die rosige Inseln zaubert aus dem braunen
Tabaksgewölk und aus dem Innern den wilden Schrei
eines Greifen holt, wenn er um schwarze Klippen jagt
in Meer, Sturm und Eis. Du, ein grünes Metall und
innen ein feuriges Gesicht, das hingehen will und singen
vom Beinerhügel finstere Zeiten und den flammenden
Sturz des Engels. O! Verzweiflung, die mit stummem
Schrei ins Knie bricht.
    Ein Toter besucht dich. Aus dem Herzen rinnt
das selbstvergossene Blut und in schwarzer Braue nistet
unsäglicher Augenblick; dunkle Begegnung. Du - ein
purpurner Mond, da jener im grünen Schatten des
Ölbaums erscheint. Dem folgt unvergängliche Nacht.


  Georg Trakl . 1887 - 1914






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