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Adelbert von Chamisso
Gedichte
. 1836
Die Mutter und das Kind
Wie ward zu solchem Jammer
Der stolzen Mutter Lust?
Sie weint in öder Kammer,
Kein Kind an ihrer Brust;
Das Kind gebettet haben
Sie in den schwarzen Schrein,
Und tief den Schrein vergraben,
Als müßt' es also sein.
Wie da die Erde fallend
Auf den versenkten Sarg
Ihn dumpf und schaurig schallend
Vor ihren Augen barg,
Hat Thränen sie gefunden,
Die nicht zu hemmen sind,
Sie weint zu allen Stunden
Um ihr geliebtes Kind.
Wann And'rer Lust und Sorgen
Der laute Tag bescheint,
Weilt schweigsam sie verborgen
In finst'rer Klaus' und weint;
Wann And'rer Schmerzen lindert
Die Nacht, und alles ruht,
Vergießt sie ungehindert
Der Thränen bittre Fluth.
Wie einst sie unter Thränen
Die stumme Mitternacht
In hoffnungslosem Sehnen
Verstört herangewacht,
Sieht wunderbarer Weise
Das Kindlein sie sich nah'n,
Es tritt so leise, leise,
Es sieht sie traurend an.
O Mutter, in der Erden
Gewinn' ich keine Rast,
Wie sollt' ich ruhig werden,
Wenn du geweinet hast?
Die Thräne fühl' ich rinnen
Zu mir ohn' Unterlaß,
Mein Hemdlein und das Linnen,
Sie sind davon so naß.
O Mutter, laß dein Lächeln
Hinab in's feuchte Haus
Mir laue Lüfte fächeln,
Dann trocknet's wieder aus,
Und scheinet deinem Kinde
Dein Auge wieder klar,
Umblüh'n es Ros' und Winde,
Wie sonst es oben war.
O weine nicht! sei munter!
Was helfen Thränen dir?
Komm lieber doch hinunter
Und lege dich zu mir;
Da magst du leise kosen
Mit deinem Kindelein,
Du liegst auf weichen Rosen
Und schläfst so ruhig ein.
Sie hat aus süßem Munde
Die Warnung wohl gehört,
Sie hat von dieser Stunde
Zu weinen aufgehört.
Wohl bleichten ihre Wangen,
Doch blieb ihr Auge klar;
Sie ist hinab gegangen,
Wo schon ihr Liebling war.
Adelbert
von Chamisso . 1781 - 1838
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