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Adelbert von Chamisso
Gedichte . 1836



Die Sterbende

Geläute schallt vom Thurm herab,
Es ruft der Tod, es gähnt ein Grab.
Ihr sünd'gen Menschen, zum Gebet!
Ein gleiches Loos bevor euch steht.

Im Sterben liegt ein schönes Weib,
Sie weint um ihren jungen Leib,
Sie weint um ihre sünd'ge Lust,
Sie ringt die Hände, sie schlägt ihre Brust.

Es harrt des Ausgangs ihr Gemahl,
Blickt starr und kalt auf ihre Qual;
Sie windet sich in dieser Stund'
Zu seinen Füßen, sie öffnet den Mund:

Vergieb mir, Gott, in deiner Huld,
Vergieb, Gemahl, mir meine Schuld;
Ich klag' es an in bitt'rer Reu',
Weh' mir! ich brach geschwor'ne Treu'. -

"Vertrauen ist Vertrauen werth,
Und machst du mir kund, wie du mich entehrt,
So mach' ich dir kund in deiner Noth,
Du stirbst am Gift, das ich dir bot."


  Adelbert von Chamisso . 1781 - 1838






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