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Adelbert von Chamisso
Gedichte
. 1836
An die Apostolischen
1.
Ev. Matth. c. 24.
Ja, überhand nimmt Ungerechtigkeit,
Und Noth, Empörung, Haß, Verrath befährden.
Die falschen Christi wollen sich gebehrden
Als mit dem Unrecht, nicht dem Recht, im Streit.
Bald aber, nach der Trübsal dieser Zeit,
Wird den Geschlechtern allen auf der Erden
Des Menschen Zeichen offenbaret werden
Mit großer Kraft und hoher Herrlichkeit.
Vom Feigenbaume lernt: an seinen Zweigen
Erkennet ihr des Sommers Anbeginn,
Wann steigt der Saft und Blätter schon sich zeigen.
Wo habt ihr, blöde Thoren, doch den Sinn?
Ihr seht den Saft in alle Zweige steigen,
Und leugnet euch den Sommer immerhin!
2.
Ev. Matth. c. 15 - 23.
Senkt sich die Sonn' in klarer Herrlichkeit,
So sagt ihr: Morgen wird das Wetter gut;
Und hüllt der Morgen sich in trübe Gluth,
Urtheilt ihr, ein Gewitter ist nicht weit.
Könnt ihr denn nicht die Zeichen dieser Zeit
Auch deuten, wie ihr doch den Himmel thut?
Ihr Heuchler, Pharisäer, Otterbrut,
Wohl hat von euch Jesajas prophezeit:
Es spricht der Herr: dieweil ich es erfahren,
Daß, wenn sie mich bekennen mit dem Munde,
Sie mit dem Herzen ferne von mir sind,
Will seltsam ich mit diesem Volk verfahren,
Daß seiner Weisen Weisheit geh' zu Grunde
Und seiner Klugen Klugheit werde blind.
3.
Schiller.
Ihr wollt zurück uns führen zu den Tagen
Charakterloser Minderjährigkeit?
Ihr hängt umsonst an der Vergangenheit,
Ihr werdet nicht die Zukunft unterschlagen.
Es ist ein eitel, ein vergeblich Wagen,
Zu greifen in's bewegte Rad der Zeit;
Der Morgen graut, verscheucht die Dunkelheit,
Und leuchtend stürzt hervor der Sonnenwagen.
Die blind und taub, ihr Augen habt und Ohren,
Nicht Stimmen hören wollt, nicht Zeichen sehen,
Ich zittre nur für euch, ihr blöden Thoren!
Denn Gottes Rathschluß wird dennoch bestehen,
Die Frucht der Zeit zu ihrer Zeit geboren
Und das, was an der Zeit ist, doch geschehen.
4.
Die öffentliche Meinung schreit und klagt:
Ihr habt von mir erborget eure Kraft;
Durch mich geschah, was Großes ihr geschafft,
Durch mich gelang, was siegreich ihr gewagt.
Und nun ich euch erhöht, wollt ihr als Magd
Mich züchtigen mit Ruthen und mit Haft;
Ihr schämt euch flüchtiger Genossenschaft
Und habt mir, eurer Herrin, widersagt?
Und doch, ihr hörtet meine Donner rollen,
Und der Koloß der Zeit war schon zerstoben,
Von dessen Joch ich kam euch zu erlösen. -
Ihr Seifenblasen, die mein Hauch geschwollen,
Und flücht'gen Schimmers meine Huld gehoben,
Ihr eitle Seifenblasen, - seid gewesen!
5.
Wer hat zum Schreier also dich bedungen?
Es möchten Lieder besser dir gedeihen,
Welchen auch gern das Ohr die Meisten leihen;
Hast du nicht sonst von Lieb' und Wein gesungen?
Könnt' ich aus eh'rner Brust doch tausend Zungen
Mit Hauch beleben, alle wollt' ich weihen,
Gellend das eine, alte Lied zu schreien,
Bis in verschloßnen Ohren es erklungen.
Es ist hoch an der Zeit, sie auf zu schrecken,
Die taumelnd um den Rand des Abgrunds wallen,
Ob schlafend nicht, dennoch nicht zu erwecken;
O muß die schwache Stimme so verhallen!
Es drohet euch der Sturz, mir blos das Schrecken; -
Ein Vogel schwingt sich auf, wo Eichen fallen.
Adelbert
von Chamisso . 1781 - 1838
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