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Anastasius Grün
Gedichte . 1869



Die erste Palme

Dort ein Palmbaum auf der Höhe
Aus dem Klostergarten ragt;
Erste Palme, die ich sehe,
Bringst du mir den Ost, der tagt?

Lustig schwankt wie Pfaugefieder
Ihre Kron' am schlanken Schaft
Ueberm Rauschen laub'ger Brüder,
Stumm, durchsichtig, geisterhaft.

In dem Grase schläft am Baume
Ein Novize, jung und schön!
Hat gelispelt seinem Traume
Ostens Wonne aus den Höhn?

Denn er sieht in üpp'gem Kleide
Sich in Sammt und Golde nun
Auf den Kissen weicher Seide
Fern in einem Garten ruhn.

Blumen, ries'ge, wunderbare,
Gaukeln, duften, sprühn um ihn;
Liebliche Gazellenpaare
Durch die fernen Büsche ziehn.

Wundersame Vögel singen
Rings so schön, doch unsichtbar;
Plätschernde Fontänen springen
Aus den Marmorbecken klar.

In dem Wellenglanz sich spiegelt
Sein Pallast in goldner Zier;
Rosenbüsche sind geflügelt
Paradiesesvögel hier.

Durch der Palmen Säulenhallen,
Schlank sich streckend kuppelan,
Stumm in weh'nden Schleiern wallen
Schöne Frauen stolz heran.

Und die weißen Schleier sinken!
Ach, der Augen Flammenschein!
Sultanlaunisch will er winken,
Denn sie sind ja alle sein!

Horch, Geschrei von allen Seiten,
Heulen, Jammern ihn erschreckt!
Ach, des Klosters Vesperläuten
Schrillen Tons hat ihn geweckt!

Ei getrost! Zum Chor ist's eben
Vom Harem nicht allzuweit!
Mönch und Sultan, beide leben
In bequemem Faltenkleid!

Und noch blickt dein Osten nieder,
Deine Palm', am schlanken Schaft
Schwankend leis wie Pfaugefieder,
Stumm, durchsichtig, geisterhaft.


  Anastasius Grün . 1806 - 1876






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