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Friedrich Schiller
Gedichte
. 1804
Das Eleusische Fest
Windet zum Kranze die goldenen Aehren,
Flechtet euch blaue Cyanen hinein,
Freude soll jedes Auge verklären,
Denn die Königinn ziehet ein,
Die Bezähmerinn wilder Sitten,
Die den Menschen zum Menschen gesellt,
Und in friedliche feste Hütten
Wandelte das bewegliche Zelt.
Scheu in des Gebürges Klüften
Barg der Troglodyte sich,
Der Nomade ließ die Triften
Wüste liegen, wo er strich,
Mit dem Wurfspieß, mit dem Bogen
Schritt der Jäger durch das Land,
Weh' dem Fremdling, den die Wogen
Warfen an den Unglücksstrand!
Und auf ihrem Pfad begrüßte
Irrend nach des Kindes Spur,
Ceres die verlaßne Küste,
Ach, da grünte keine Flur!
Daß sie hier vertraulich weile,
Ist kein Obdach ihr gewährt,
Keines Tempels heitre Säule
Zeuget, daß man Götter ehrt.
Keine Frucht der süßen Aehren
Lädt zum reinen Mahl sie ein,
Nur auf gräßlichen Altären
Dorret menschliches Gebein.
Ja, so weit sie wandernd kreis'te,
Fand sie Elend überall,
Und in ihrem großen Geiste
Jammert sie des Menschen Fall.
Find' ich so den Menschen wieder,
Dem wir unser Bild geliehn,
Dessen schöngestalte Glieder
Droben im Olympus blühn?
Gaben wir ihm zum Besitze
Nicht der Erde Götterschooß,
Und auf seinem Königsitze
Schweift er elend, heimatlos?
Fühlt kein Gott mit ihm Erbarmen,
Keiner aus der Sel'gen Chor
Hebet ihn mit Wunderarmen
Aus der tiefen Schmach empor?
In des Himmels sel'gen Höhen
Rühret sie nicht fremder Schmerz,
Doch der Menschheit Angst und Wehen
Fühlet mein gequältes Herz.
Daß der Mensch zum Menschen werde,
Stift' er einen ew'gen Bund
Gläubig mit der frommen Erde,
Seinem mütterlichen Grund,
Ehre das Gesetz der Zeiten
Und der Monde heil'gen Gang,
Welche still gemessen schreiten
Im melodischen Gesang.
Und den Nebel theilt sie leise,
Der den Blicken sie verhüllt,
Plötzlich in der Wilden Kreise
Steht sie da, ein Götterbild.
Schwelgend bei dem Siegesmahle
Findet sie die rohe Schaar,
Und die blutgefüllte Schaale
Bringt man ihr zum Opfer dar.
Aber schaudernd, mit Entsetzen,
Wendet sie sich weg und spricht:
Blut'ge Tigermahle netzen
Eines Gottes Lippen nicht.
Reine Opfer will er haben,
Früchte, die der Herbst bescheert,
Mit des Feldes frommen Gaben
Wird der Heilige verehrt.
Und sie nimmt die Wucht des Speeres
Aus des Jägers rauher Hand,
Mit dem Schaft des Mordgewehres
Furchet sie den leichten Sand,
Nimmt von ihres Kranzes Spitze
Einen Kern, mit Kraft gefüllt,
Senkt ihn in die zarte Ritze,
Und der Trieb des Keimes schwillt.
Und mit grünen Halmen schmücket
Sich der Boden alsobald,
Und so weit das Auge blicket
Wogt es wie ein goldner Wald.
Lächelnd segnet sie die Erde,
Flicht der ersten Garbe Bund,
Wählt den Feldstein sich zum Heerde,
Und es spricht der Göttinn Mund:
Vater Zeus, der über alle
Götter herrscht in Aethers Höhn!
Daß dieß Opfer dir gefalle,
Laß ein Zeichen jetzt geschehn!
Und dem unglücksel'gen Volke,
Das dich Hoher! noch nicht nennt,
Nimm hinweg des Auges Wolke,
Daß es seinen Gott erkennt!
Und es hört der Schwester Flehen
Zeus auf seinem hohen Sitz,
Donnernd aus den blauen Höhen
Wirft er den gezackten Blitz.
Prasselnd fängt es an zu lohen,
Hebt sich wirbelnd vom Altar,
Und darüber schwebt in hohen
Kreisen sein geschwinder Aar.
Und gerührt zu der Herrscherinn Füßen
Stürzt sich der Menge freudig Gewühl,
Und die rohen Seelen zerfließen
In der Menschlichkeit erstem Gefühl,
Werfen von sich die blutige Wehre,
Oeffnen den düstergebundenen Sinn,
Und empfangen die göttliche Lehre
Aus dem Munde der Königinn.
Und von ihren Thronen steigen
Alle Himmlischen herab,
Themis selber führt den Reigen,
Und mit dem gerechten Stab
Mißt sie jedem seine Rechte,
Setzet selbst der Grenze Stein,
Und des Styr verborgne Mächte
Ladet sie zu Zeugen ein.
Und es kommt der Gott der Esse,
Zeus erfindungsreicher Sohn,
Bildner künstlicher Gefäße,
Hochgelehrt in Erzt und Thon.
Und er lehrt die Kunst der Zange
Und der Blasebälge Zug,
Unter seines Hammers Zwange
Bildet sich zuerst der Pflug.
Und Minerva, hoch vor allen
Ragend mit gewicht'gem Speer,
Läßt die Stimme mächtig schallen
Und gebeut dem Götterheer.
Feste Mauren will sie gründen,
Jedem Schutz und Schirm zu seyn,
Die zerstreute Welt zu binden
In vertraulichem Verein.
Und sie lenkt die Herrscherschritte
Durch des Feldes weiten Plan,
Und an ihres Fußes Tritte
Heftet sich der Grenzgott an,
Messend führet sie die Kette
Um des Hügels grünen Saum,
Auch des wilden Stromes Bette
Schließt sie in den heil'gen Raum.
Alle Nymphen, Oreaden,
Die der schnellen Artemis
Folgen auf des Berges Pfaden,
Schwingend ihren Jägerspieß,
Alle kommen, alle legen
Hände an, der Jubel schallt,
Und von ihrer Aexte Schlägen
Krachend stürzt der Fichtenwald.
Auch aus seiner grünen Welle
Steigt der schilfbekränzte Gott,
Wälzt den schweren Floß zur Stelle
Auf der Göttinn Machtgebot,
Und die leichtgeschürzten Stunden
Fliegen an's Geschäft, gewandt,
Und die rauhen Stämme runden
Zierlich sich in ihrer Hand.
Auch den Meergott sieht man eilen;
Rasch mit des Tridentes Stoß,
Bricht er die granitnen Säulen
Aus dem Erdgerippe los,
Schwingt sie in gewalt'gen Händen
Hoch wie einen leichten Ball,
Und mit Hermes dem behenden
Thürmet er der Mauren Wall.
Aber aus den goldnen Saiten
Lockt Apoll die Harmonie
Und das holde Maaß der Zeiten
Und die Macht der Melodie.
Mit neunstimmigem Gesange
Fallen die Kamönen ein,
Leise nach des Liedes Klange
Füget sich der Stein zum Stein.
Und der Thore weite Flügel
Setzet mit erfahrner Hand
Cybele und fügt die Riegel
Und der Schlösser festes Band.
Schnell durch rasche Götterhände
Ist der Wunderbau vollbracht,
Und der Tempel heitre Wände
Glänzen schon in Festes Pracht
Und mit einem Kranz von Myrten
Naht die Götterköniginn,
Und sie führt den schönsten Hirten
Zu der schönsten Hirtinn hin.
Venus mit dem holden Knaben
Schmücket selbst das erste Paar,
Alle Götter bringen Gaben
Segnend den Vermählten dar.
Und die neuen Bürger ziehen,
Von der Götter sel'gem Chor
Eingeführt, mit Harmonieen
In das gastlich offne Thor,
Und das Priesteramt verwaltet
Ceres am Altar des Zeus,
Segnend ihre Hand gefaltet
Spricht sie zu des Volkes Kreis.
Freiheit liebt das Thier der Wüste,
Frei im Aether herrscht der Gott,
Ihrer Brust gewalt'ge Lüste
Zähmet das Naturgebot,
Doch der Mensch, in ihrer Mitte,
Soll sich an den Menschen reih'n,
Und allein durch seine Sitte
Kann er frei und mächtig seyn.
Windet zum Kranze die goldenen Aehren,
Flechtet auch blaue Cyanen hinein,
Freude soll jedes Auge verklären,
Denn die Königinn ziehet ein,
Die uns die süße Heimat gegeben,
Die den Menschen zum Menschen gesellt,
Unser Gesang soll sie festlich erheben,
Die beglückende Mutter der Welt.
Friedrich
Schiller . 1759 - 1805
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