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Friedrich Schiller
Gedichte . 1804



Pompeji und Herkulanum

Welches Wunder begiebt sich? Wir flehten um trinkbare Quellen
    Erde! dich an und was sendet dein Schooß uns herauf!
Lebt es im Abgrund auch? Wohnt unter der Lava verborgen
    Noch ein neues Geschlecht? Kehrt das entfloh'ne zurück?
Griechen! Römer! O kommt! O seht, das alte Pompeji
    Findet sich wieder, aufs neu bauet sich Herkules Stadt.
Giebel an Giebel steigt, der räumige Portikus öffnet
    Seine Hallen, o eilt ihn zu beleben herbei!
Aufgethan ist das weite Theater, es stürze durch seine
    Sieben Mündungen sich fluthend die Menge herein.
Mimen wo bleibt ihr? Hervor! Das bereitete Opfer vollende
    Atreus Sohn, dem Orest folge der grausende Chor.
Wohin führet der Bogen des Sieg's? Erkennt ihr das Forum?
    Was für Gestalten sind das auf dem kurulischen Stuhl?
Traget Lictoren die Beile voran! Den Sessel besteige
    Richtend der Prätor, der Zeug' trete, der Kläger vor ihn.
Reinliche Gassen breiten sich aus, mit erhöhetem Pflaster
    Ziehet der schmälere Weg neben den Häusern sich hin.
Schützend springen die Dächer hervor, die zierlichen Zimmer
    Reih'n um den einsamen Hof heimlich und traulich sich her.
Oeffnet die Läden geschwind und die lange verschütteten Thüren,
    In die schaudrigte Nacht falle der lustige Tag.
Siehe, wie rings um den Rand die netten Bänke sich dehnen,
    Wie von buntem Gestein schimmernd das Estrich sich hebt!
Frisch noch erglänzt die Wand von heiter brennenden Farben,
    Wo ist der Künstler? Er warf eben den Pinsel hinweg.
Schwellender Früchte voll und lieblich geordneter Blumen
    Fasset der muntre Feston reizende Bildungen ein.
Mit beladenem Korb schlüpft hier ein Amor vorüber,
    Emsige Genien dort keltern den purpurnen Wein,
Hoch auf springt die Bacchantin im Tanz, dort ruhet sie schlummernd,
    Und der lauschende Faun hat sich nicht satt noch gesehn.
Flüchtig tummelt sie hier den raschen Centauren, auf Einem
    Knie nur schwebend, und treibt frisch mit dem Thyrsus ihn an.
Knaben! Was säumt ihr? Herbei! Da stehn noch die schönen Geschirre,
    Frisch ihr Mädchen und schöpft in den etrurischen Krug.
Steht nicht der Dreifuß hier auf schön geflügelten Sphinren,
    Schüret das Feuer! Geschwind Sclaven! Bestellet den Heerd!
Kauft, hier geb' ich euch Münzen vom mächtigen Titus gepräget,
    Auch noch die Waage liegt hier, sehet, es fehlt kein Gewicht.
Stecket das brennende Licht auf den zierlich gebildeten Leuchter,
    Und mit glänzendem Oel fülle die Lampe sich an.
Was verwahret dieß Kästchen? O seht, was der Bräutigam sendet
    Mädchen! Spangen von Gold, glänzende Pasten zum Schmuck!
Führet die Braut in das duftende Bad, hier stehn noch die Salben,
    Schminke find' ich noch hier in dem gehöhlten Crystall.
Aber wo bleiben die Männer? die Alten? Im ernsten Museum
    Liegt noch ein köstlicher Schatz seltener Rollen gehäuft.
Griffel findet ihr hier zum Schreiben, wächserne Tafeln,
    Nichts ist verloren, getreu hat es die Erde bewahrt.
Auch die Penaten sie stellen sich ein, es finden sich alle
    Götter wieder, warum bleiben die Priester nur aus?
Den Caduceus schwingt der zierlich geschenkelte Hermes,
    Und die Viktoria fliegt leicht aus der haltenden Hand.
Die Altäre, sie stehen noch da, o kommet, o zündet,
    Lang schon entbehrte der Gott, zündet die Opfer ihm an!


  Friedrich Schiller . 1759 - 1805






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