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Arthur Fitger
Fahrendes
Volk . 3. Auflage (vermutlich) 1890
Prolog
zur
hundertjährigen Geburtsfeier Beethoven's im Bremer Künstlerverein.
16. December 1870.
In Schlachtendonner stürmt und lohen Wettern
Ergrimmt der Engel des Gerichts daher,
Die blutberauschte Babel zu zerschmettern.
Schon barst ihr Schild, in Splitter sprang ihr Speer;
Schon schaart, ihr letztes Bollwerk zu erklettern,
Am Seinestrand sich enger Heer an Heer;
Noch kurze Frist, - und die Posaunen schallen:
Sie ist gefallen! Babel ist gefallen!
Doch nicht zu krieg'rischem Triumphgepränge
Rief heut' vom Thurm der festliche Choral,
Kein Tag von Wörth, von Sedan wälzt die Menge
Zum Siegesfest in den geschmückten Saal;
Und kränzt der Lorbeer heut' die Säulengänge,
Und wiegt das Banner sich im Kerzenstrahl, -
Entboten hab' ich euch zu andrer Feier,
Und statt des Heerhorns tönt das Gold der Leier.
Denn mit dem Genius, der zur langen Kette
Glorreicher Schlachten täglich neue reiht,
Flicht sinnend still ein andrer um die Wette
Die Ehrenkränze deutscher Herrlichkeit,
Und Pergament und Meißel und Palette
Hat er zu frommen Waffen sich geweiht,
Und siegend auf des Wohllauts mächt'gen Schwingen
Fährt er dahin, die Herzen zu bezwingen.
Der Beiden Bund erst würdigt es der Kronen,
Die Jeder um des Volkes Scheitel legt;
Drum laßt uns heut' beim Donner der Kanonen
Dem Bruder huld'gen, der den Oelzweig trägt;
Dem Manne laßt, dem Künstler heut' uns lohnen,
Der tausendfach entzückend uns erregt,
Und ihm im Schlachtsturm dieser eh'rnen Zeiten
Sein hundertjährig Wiegenfest bereiten!
Muß ich ihn nennen? Die umwölkten Brauen,
Die donnernarb'ge Stirn erkennt ihr bald;
Wie Leuenmähn' ist das Gelock zu schauen,
Ernst bleibt der Mund, wie süß sein Lied auch schallt,
Und aus des Auges Abgrund blickt das Grauen
Der Geisterwelt, die einsam er durchwallt,
Als er auf stein'gen Pfaden, dornumschlungen,
Sich zur Vollendung sehnend durchgerungen.
So trat er, schmachtend nach dem ew'gen Lichte,
In die Mysterien der Schönheit ein,
Wo von der Gottheit Rätselangesichte
Sich malt ein ahnungsvoller Wiederschein;
Die Schranken dieser Erde gehn zunichte,
Und dämmernd ragt ein Jenseits da herein,
Deß unnennbare, geistige Gewalten
Mit Künstlers Geist geheime Zwiesprach' halten.
Die gaben ihm, daß er uns Den verkündet,
Der sich in's Kleid der Dinge tief verhüllt,
Der ewig unerkannt und unergründet
Das weite All mit seinem Wesen füllt,
An dessen Lächeln sich der Lenz entzündet,
In dessen Hauch des Winters Sturmflut brüllt;
Ihn auszusprechen schwollen seine Töne
Als ein Prophetenlied der höchsten Schöne.
Wer aber hob vom Urquell aller Sonnen
Den Schleier, unversengt von ihrem Strahl?
Wem ist nicht Herz und Mark zu Eis geronnen,
Der ihn geschaut, den ew'gen Schlund der Qual?
Ihn schirmt kein Schatten mehr, ihn labt kein Bronnen,
Ein Fremdling schweift er durch das Erdenthal;
Und wer ihn sieht, der weiht ihm Mitleidsthränen
Und muß ihn elend, jammerelend wähnen.
Ihm blüht kein Glück, im weiten Erdengarten
Nicht eins! Der Liebe Kranz, der Freundschaft Stab
Darf der verwais'te Pilger nicht erwarten,
Und Nichts empfängt er, der sein Alles gab,
Und Nichts empfangen kann er, als den harten
Marmornen Denkstein über seinem Grab.
Und doch! Von dem wir Schatz auf Schatz empfangen,
Eins darf auch er gebieterisch verlangen:
"Du sollst der Schönheit einen Pfad bereiten,
Und wenn sie siegend einzieht in dein Herz,
Sollst du's zum heil'gen Tempel ihr erweiten,
Und sollst ihr Opfer weih'n in Lust und Schmerz;
Ihr edles Maß soll deine Schritte leiten
Vom staub'gen Bann der Erde himmelwärts;
Dem Geist, den ich dir wies, dem sollst du gleichen!
Das einzig sei mir deines Dankes Zeichen."
Heischt er zu viel? Wär's nur der Gang der Flöten
Und Geigen, der dem Ohre schmeichelnd kos't,
Wir müßten schamvoll um dies Fest erröten
Vor uns'ren Brüdern. Nacht bedrängt und Frost
Die Harrenden, und nur zu neuen Nöten
Des Kampfs und Todes graut für sie der Ost. -
Doch nein! Auch dieses Fest, ihr Heldenheere,
Es ist ein Siegesfest der deutschen Ehre.
Arthur
Fitger . 1840 - 1909
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