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Arthur Fitger
Requiem
aeternam dona ei . 1. Auflage 1894
Aschenbrödel
Vier Schimmel vor der Goldcarosse
Durchdonnern das Portal am Schlosse,
Die Garden treten ins Gewehr,
Die Diener eilen vor mir her,
Aufspringt die Thüre flügelweit;
O Licht, o Glanz, o Herrlichkeit!
Beseligt schwebt im Tanz der Schritt,
Ich fasse Muth, ich tanze mit
Und schlag' mein Leid mir aus dem Sinn;
Wer weiss denn, dass ich Aschenbrödel bin?
Die Pauke dröhnt, die Geigen klingen
Und ritterliche Tänzer dringen
In hellen Haufen schmeichelnd vor;
Wetteifernd wirbt der ganze Chor;
Die Damen schauen grimmig blass;
In allen Fächern stürmt der Hass,
Und giftige Blicke schiesst der Neid
Auf mein erborgtes Faschingskleid:
Der Fremden des Triumphs Gewinn?
Wer weiss denn, dass ich Aschenbrödel bin?
Nun reicht der Königssohn galant
Zum Ringelreigen mir die Hand,
Mir wird so wohl, mir wird so warm,
Wir wirbeln durch der Tänzer Schwarm,
Ich fühle, wie in dunkler Gluth
Sein Auge liebend auf mir ruht;
O Gott! Nach so viel Finsterniss
Ein unaussprechlich Paradies!
Ein Strom von Glück reisst mich dahin;
Er weiss nicht, dass ich Aschenbrödel bin.
Glüh'n mir vom Tanz so heiss die Wangen?
Umzischen mich geheime Schlangen?
Bekenn' ich's: all mein Glanz ist Trug,
Dies Herz es ringt mit Höllenfluch?
In Seid' und Goldbrokat besteh'n?
Im Aschensack vor Scham vergeh'n?
O Schicksal! Hier erlog'ner Tand;
Zu Hause Schmach und Schimpf und Schand!
Geächtet oder Lügnerin!
Ich weiss ja, dass ich Aschenbrödel bin!
Und will ich nicht dem Trug erliegen,
Flücht' ich hinab die Marmorstiegen.
Erlöse mich, o Mitternacht,
Von all' der falschen Zauberpracht!
In meine Asche berg' ich mich!
Ach und mein Grab, wann öffnet's sich?
Dies Antlitz böt' ich stolz und wahr
Dem Engel mit der Wage dar,
Und er vielleicht, er läse d'rin
Mitleidig, dass ich Aschenbrödel bin.
Arthur
Fitger . 1840 - 1909
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