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Gedichte, Lyrik, Poesie

Requiem aeternam dona ei
162 Bücher



Arthur Fitger
Requiem aeternam dona ei . 1. Auflage 1894



Das Mysterium des großen Pan

Lehrer.

Nicht weiter Sohn; du hast verehrt
Die Götter alle, die ich dir gepriesen;
Verehre ferner.


Schüler.

Und warum verwehrt
Mein Lehrer nun das Ziel, d'rauf er verwiesen?
Dem Urgott aller Götter sollt' im Pan-
Mysterium ich mich anbetend nah'n.


Lehrer.

Du bist noch jung und lebensfroh und kühn;
O sähst du, welcher Augentrost dem Alten
Der Locken Fluth, der Wangen lichtes Blüh'n,
Der Glieder Schwung, des Auges Gluthgewalten!
Lass ab; begreifst du nicht die Weisheitslehren,
Wirst du in Todesqualen dich verzehren.


Schüler.

Nach Wahrheit lechz' ich.


Lehrer.

Viele sind berufen
Und wenige sind auserwählt;
Das Herz zerschmettert sie, das ungestählt
Und ungewappnet zu ihr drängt.


Schüler.

Die Stufen
Des Heiligthums versperrst du mir nicht mehr;
Schon brausen mächt'ge Jubellieder her!
Centauren! Faunen! Nymphen! Sieh' wie kreist
Im Tanz die Welt um ihren Grossen Geist!

(Er tritt in den heiligen Hain.)

Da wird geliebt, gelacht, gesungen,
Da wird geschmaust, gezecht, gesprungen;
Frau Ceres hier, Gott Bacchus nebenan,
Priapus und Cupido scherzen
Mit alten wie mit jungen Herzen,
Und über Alle ragt der Grosse Pan!
Wie üppig lacht sein Riesenangesicht!
Wie Lebenslust hell aus den Augen bricht!
Der volle Mund von Sinnlichkeit geschwellt!
Im Nacken Saft und Kraft für eine Welt!
Und davor warnte mich der Thor?
Ich komme wie im Paradies mir vor.

(Er ergreift eine Nymphe, tanzt, trinkt und lacht.)

Doch lacht er wirklich? Täuschte Pan mich nicht?
Die Züge, die zu lächeln schienen,
Sind schmerzverzerrte Trauermienen;
Und wenn sein Auge feucht erscheint -
Er lachte nicht; er hat geweint.
Und Hirten, Nymphen, Amoretten,
Die kreiselnd sich im Tanz verketten,
Sie küssen nicht; sie dürsten Blut;
Der Reigentanz wird Kampfeswuth.
Ein tausendmäulig Chaos wird das All,
Das schlingt sein eigen Eingeweid' hinein,
Ein Schlangennest von Noth und Schuld und Pein,
Und Pan schreit auf in ungeheurer Qual.

(Zu dem herantretenden Lehrer.)

Nun bin ich auch wie du so alt,
Nun bleicht mein Haar, mein Herz wird todeskalt,
Und schaudernd werd' ich still zu Grabe geh'n,
Der ich dem Pan in's Angesicht geseh'n.


Lehrer.

Das war's, was ich befürchtet: halberwegs
Entsetzt zusammenbrechen! Aber blicke
Noch einmal hin, mein Sohn, und überleg's:
Vielleicht verwandelt Pan sich auch zurücke.
Sieh', Kampf wird wieder Tanz und Blutgier wieder Kuss.
Der Schrei der Qual wird lächelnder Genuss.
Der Grosse Pan ist Lust zugleich und Leid,
Ist Tod und Leben, ist die Ewigkeit.


  Arthur Fitger . 1840 - 1909






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