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Arthur Fitger
Requiem
aeternam dona ei . 1. Auflage 1894
Der Ketzer
Welche bist du der Töchter der Nacht?
Bist du Megära, die schlangengekrönte,
Oder Alecto, die Flamme der Schlacht,
Oder Tisyphone, die auf der Jagd
Heulend den heulenden Mörder verhöhnte?
Keiner benennt dich. In dunklem Grauen
Scheut es das Auge, dich anzuschauen;
Phöbus belud dich mit Bann und mit Acht.
Flecken und Brandmal und Sünde! Wie laut
Schimpfen die Büttel und flennen die Pfaffen!
Hei, wie der Anblick den Pöbel erbaut:
Purpurn von Scham und von Thränen bethaut
Prangst du am Schandpfahl mit Hunden und Affen!
Ich aber liebe dich; der benedeite
Heil'ge Franziscus, der armutverfreite,
Liebte nicht brünst'ger die niedrige Braut.
Flammenden Herzens verzicht' ich, wie leicht!
Auf das Getändel der Blumen und Bänder;
Dünkt doch die Natter, die eisig und feucht,
Dir vom Gelock in den Nacken mir schleicht,
Lieblicher mir als die lieblichsten Pfänder;
Köstlicher acht' ich den Staub deiner Füsse
Als den Pokal voll ambrosischer Süsse,
Den dem Olympier Hebe gereicht.
Königin, Göttin, dich nennen verrucht,
Die deines Kusses Bezaub'rung nicht kannten,
Die sich im Buche der Tugend gebucht,
Ach, weil sie nimmer, vom Dämon versucht,
In der Begeisterung des Wahnsinns entbrannten,
Denen das dumpfige Blut in den Adern
Nie sich empört, mit dem Pöbel zu hadern,
Die nicht im Tiefsten den Höchsten gesucht.
Berge von Unrecht, von Unsinn, wer zwingt
Mich, sie als Recht und als Sinn zu verehren?
Nein! und tausendmal Nein! Dir klingt,
Schönste der Schönen, mein Lied und springt
Trotzig in's Chaos von feindlichen Speeren;
Heilige Furie, gespenstergeborene,
Flattere dein Banner nur hoch; der verlor'ne
Ritter verblutet, verschmachtet, versinkt.
Arthur
Fitger . 1840 - 1909
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