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Arthur Fitger
Requiem
aeternam dona ei . 1. Auflage 1894
Mein Vetter Michel geht ins Feld,
Zu seh'n, wie seine Saat bestellt.
Ich hab im Lenz ihm zugeschaut,
Wie er gerodet Dorn und Kraut,
Stein und Geröll zur Seit' gehäuft,
Wie er mit Schweiss den Pflug beträuft,
Wie er sein bestes Korn gesät
Und Gottes Segen fromm erfleht.
Nun reift der Herbst; doch Vetter Michel,
Bleib' du daheim mit Sens' und Sichel;
Dein Acker blieb ein kahler Sand,
Kein Hälmchen Keim noch Wurzel fand,
Nur Undank wuchert, drin versteckt
Die Schlang' ihr giftig Zünglein streckt.
Mein Vetter Michel geht nach Haus,
Sein Auge sieht nach Thränen aus;
Doch um die Lippen blass und schmal
Spielt eines Lächelns tapfrer Strahl;
"Vielleicht, wenn's heuer Nichts gebracht,
Der nächste Herbst es besser macht."
O Michel, weihe du mich ein
In dieses Lächelns Sonnenschein.
Ich hab geschluchzt, geschrien, getobt
In Versen, die man kritisch lobt;
Doch selbst den Klageliederruhm
Des Jeremias gäb' ich drum,
Wenn ich, derweil mein Herz verbrennte,
Wie du, so tapfer lächeln könnte.
Arthur
Fitger . 1840 - 1909
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