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Requiem aeternam dona ei
162 Bücher



Arthur Fitger
Requiem aeternam dona ei . 1. Auflage 1894



Motive zu einer Pastoral-Symphonie

I.
2. Corinther, 8. V. 9.

In's Pfarrhaus zieht der neue Herr Pastor;
Thut auf die Thüren, öffnet weit das Thor;
Vier, fünf, sechs Möbelwagen fahren vor.

Fauteuil und Sofa, Esstisch und Büffet
Bratofen, Fliegen-, Eisschrank, Ehebett,
Silber und Porcellanservice complet.

Kompots, Konserven haufenweis beschafft,
Der Mettwurst Anmuth und des Schinkens Kraft,
In Fass und Flaschen edler Rebensaft.

Besonders fehlt ein Christusangesicht
In gold'nem Rahmen über'm Schreibtisch nicht,
Dess dornumrankte Inschrift also spricht:

"Bedenk´, dass unser Heiland Jesus Christ
Um deinetwillen arm geworden ist,
Und dass du reich durch seine Armuth bist."



II.
Confirmation.

Zieh den schwarzen Kleidrock an,
Armer Junge, guter Junge;
Am Altar der Gottesmann
Löst zum Eide dir die Zunge.

Armer Junge, gutes Kind,
Nun bestätige frei entschlossen,
Was als Täufling taub und blind
Unfreiwillig du genossen.

Vierzehnjährig! Vor Gericht
Freilich noch nicht mündig bist du;
Doch die Kirche wartet nicht,
Und du schwörst dich Jesu Christ zu.

Schwörst, an Vater, Sohn und Geist
Stets zu glauben, und des Zweifels
Künftigen Kampf erklärst du dreist
Heut als Anfechtung des Teufels.

Ehversprechen, Erbcontract,
Dazu bist du nicht capabel;
Doch den grossen Geisterpact
Schwör d'rauf los mit gelbem Schnabel.



III.
Eine Fortsetzung.

So lebten denn die Brüder Jahr um Jahr
Einträchtig, und dem Rath des Richters folgend,
Eiferte jeder seiner unbestoch'nen,
Von Vorurtheilen freien Liebe nach,
Strebte von ihnen jeder um die Wette,
Die Kraft des Stein's in seinem Ring an Tag
Zu legen, und kam dieser Kraft mit Sanftmuth,
Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohlthun
Und innigster Ergebenheit in Gott
Zu Hülfe.

Derweil in ihrem Hause lebt' ein Knecht,
Ein junger Fremdling, der an reinem Herzen,
An Sanftmuth, an Verträglichkeit, an Wohlthun
Und innigster Ergebenheit in Gott
Den drei Gebietern ebenbürtig schien;
Und hätt' er einen Ring wie sie besessen,
Hätt' er für ihren Bruder gelten können.
Doch nichts besass er, nichts! kein lieber Vater
Hatt' ihn an sein ergiessend Herz gezogen,
Ihm ein verheissungsvolles Pfand verliehen
Und segnend ihm die Hand aufs Haupt gelegt.
Verwaist und schüchtern hatten in der Wüste
Sie als ein Findelkind ihn aufgelesen,
Als namenlosen, heimathlosen Sprossen
Von Ahnen, die wie Affen man verachtet,
Die man wie wilde Bestien verfolgt.

Was Wunder, wenn die drei, die gegenseitig
Am Ende sich als Brüder schätzen lernten,
Doch ihn verschmähten, seine freie Liebe
Verdächtigten, sein Wohlthun widerwillig
Empfingen, und was er Ergebenheit
In Gott zu nennen pflegte, nur als dumpfen,
Trostlosen Sklavensinn verabscheuten,
Der reich dotirten Gottergebenheit
Mit Paradiesesanwartschaft, die sie
Beseligt' und beseelt', nicht zu vergleichen.
Was Wunder, wenn sie, wagt' einmal der Knecht
Ob der drei Ring' ein halbwegs zweifelnd Lächeln,
In ihm noch stets die alte Bestie,
Die kaum bezähmte, schaudernd fürchteten
Und ihn misshandelten mit Peitsch und Kerker?

So lebten sie, so alterten sie hin,
Und endlich neigten sie die müden Häupter,
Davon die letzten, weissen Locken schwanden,
Darein die Runzeln tiefer stets sich furchten,
Dem Grabe zu, und Schlüssel, Stab und Siegel
Und Wag' und Schwert, die ihrer Hand entglitten,
Und ihres Haushalts mannigfach Geräth
Mussten sie seiner starken Faust vertrauen;
Denn er ward allgemach der Majordomus.
Und als nach tausend, tausend Jahren einst
Ein Frager jedes wunderlichen Streites
Um die drei Ringe dachte und hinauf
Gen Osten reiste, um an Ort und Stelle
Zu forschen, wie der Handel abgelaufen,
Da schritt er auf den Gräbern jener Brüder.
Jedoch der scheue Sklave, der zum Freien
Gereift war, waltete des alten Guts.

Verändert hatte sich seit jenen Zeiten,
Da noch von Sohn zu Sohn die Herrschaft erbte,
Nicht eben viel; noch galt die unbestoch'ne,
Von Vorurtheilen freie Liebe, noch
Die Sanftmuth, die Verträglichkeit, das Wohlthun,
Die innige Ergebenheit in Gott
Als Merkmal für die wundersame Kraft,
Vor Gott und Menschen angenehm zu machen.
Den Stein jedoch, an dem sie einst gehaftet,
Den suchte keiner mehr; jedoch die drei,
Die nachgeahmten Steine waren treulich
Mit ihren Eignern in die Gruft gesenkt.

Wie lang der Hausvogt walten wird? Wer weiss?
Auf tausend Jahre folgen tausend Jahre.
Wahrscheinlich lässt auch über diesen Fall
Einst ein bescheidener Richter sich vernehmen.



IV.

Wie viele Jungen wohl noch Pfaffen werden wollten,
Wenn's Evangelium sie gratis predigen sollten?
Wie viele Pfaffen wohl sofort den Abschied nähmen,
Wenn sie ihr Honorar auch ohne Amt bekämen?

        Einst mussten die Christen im Circus turniren
        Mit Löwen, Tigern und Pantherthieren,
        Die Heiden thäten sich amüsiren.

        Heut haben Pastoren mit Pastoren
        In Christo Jesu sich bei den Ohren;
        Den Heiden geht nie ihr Spass verloren.

        Brod und Wein sind wahrlich Gott,
        Allmächtige Potentaten;
        Ihr aber treibt mit dem Hunger Spott
        Bei eurem Mahl von Oblaten.



V.
Narcose.

In der Kirche, in der Schenke
Lässt sich lieblich Ruhe finden;
Geist- und leibliches Getränke
Kann viel Herzleid überwinden.

Betend auf den Knien liegen,
Trunk'nen Muth's den Becher schwingen,
Wird dein schreiend Herze wiegen
Und gemach in Schlummer singen.

Und so süss ist das Erschlaffen
Nach den namenlosen Qualen;
Lockend winken Wirth und Pfaffen
Vor den fraglichen Localen.

"Rüdesheimer!" - " "Gottes Güte" "
"Sect!" - " "wird deiner sich erbarmen" "
"Cognac!" - " "und dir winkt der Friede" "
"Bier!" - " "in seinen Vaterarmen!" "

Ach, und toll vor tollem Schmerze
Schielt ich schon nach allen beiden;
Schäme dich, mein feiges Herze,
Lass uns tapfer weiter leiden!



VI.
Die vier Fakultäten.

Der Sokrates legt in Athen
Sich auf das Räsonniren;
Kein Protz so reich, kein Laff so schön,
Er thät sich drob mokiren,
Bis er als grosser Philosoph
Olympus' ganzen Minnehof
Und Pluto's ewige Strafanstalt
Mit Mann und Maus verneinte.

Da schrien die Pfaffen sorgenvoll:
"Das Opfern wird vergessen,
Wenn Jovis Nase darben soll,
Was kriegen wir zu essen?
Wir klagen diesen bösen Mann
Der eigenmächt'gen Logik an,
Häretik, Skepsis und Kritik
Und was da sonst verboten."

Da spitzten auch die Herrn vom Jus
Alsbald die langen Ohren:
"Die Götter, Herr Philosophus,
Die lässt man ungeschoren;
Mag Einer denken, was er will,
Das Maulwerk aber halt er still,
Denn dieses gab uns die Natur
Zum Essen und zum Trinken."

""Was Gott thut, das ist wohlgethan,"
Bemerkten die Doctores -
"Und seine Allmacht klagt man an,
Geht ein Patient capores;
Sie ist ein wundernützlich Thier
Sowohl für's Jenseits, wie für's hier,
Und wer das nicht begreifen will,
Dem brau'n wir unsern Schierling."

O welch antike Grausamkeit,
Welch heidnische Manieren!
In unsrer fortgeschrittnen Zeit
Kann solches nicht passieren!
Nachgiebt der Klügste, sagt ein Spruch;
Philosophie ward klug genug
Und brummelt sanft in sich hinein,
Die Schwestern nicht zu reizen.


  Arthur Fitger . 1840 - 1909






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