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Arthur Fitger
Requiem
aeternam dona ei . 1. Auflage 1894
O weh dem Mann,
Der statt der Liebe die Freundschaft gewann
Und statt der Freundschaft die leere Manier
Und endlich statt dieser den Stuhl vor der Thür!
Wie ein Nordpolfahrer komm' ich mir vor,
Der sein Schiff verlor
Und fortsetzen muss die Reise
Auf südwärts treibendem Eise:
Ein Schmelzen, ein Schwinden
Nach allen vier Winde!
Tagtäglich klaffen weiter die Spalten,
Heut bröckelt, was gestern noch festgehalten,
Was heute noch hält, wird morgen zerfressen,
Was nutzt mir das Messen?
Ich fühl' es, ich seh' es, es ist kein Zweifel:
Die Scholle thaut allmählich zum Teufel;
Bald wird sie zu klein
Mich zu tragen sein,
Und die trostlose Bahn,
Sie endet im schweigenden Ocean.
Wohl seh ich wimmelnde Völkerschaaren
Auf stolzen Dampfern vorüberfahren:
Männer der ehrlichen Arbeiterfaust,
Buchhalter, die die Gasse bemaust,
Fürsten der Börse und arme Commis,
Vagabundengesindel und Genies,
Söhne, die nach der Mutter Grab
Um den Erdball setzen den Wanderstab,
Hochgeschminkte Theaterdamen
Mit Lorbeerkränzen und Riesenreclamen, -
Wer kennt die Namen,
Die Passagiere der eisernen Archen,
Was kreucht und was fleucht um den Patriarchen?
Am Topp die lustigsten Wimpel wehn,
Auf der Brücke wandelt der Capitän,
Das Steuer ist fest und mächtig die Schraube,
Und die Hoffnung ist stark und gewaltig der Glaube.
Ich höre die Tafelmusik im Salon
Und im Zwischendeck den Harmonikaton,
Ein Pfeifen, ein Geigen, ein Trommeln, ein Gellen
Aufs Thema: das Schiff streicht durch die Wellen.
Vorüber, Vorüber! In Wogen und Schaum
Des Horizonts, sie entdecken mich kaum;
Sie schärfen neugierig die Operngucker;
"Da drüben winkt
Auf dem Treibeis Einer, der langsam ertrinkt;
Ergieb in dein Loos dich, du armer Schlucker.
Du hast dir hoffentlich in den Sorgen
Des Schiffbruchs ein tröstliches Fläschchen geborgen
Und ein Gebetbuch. Die See geht hohl;
Du rettest dich schwerlich; fahr wohl! fahr wohl!"
Arthur
Fitger . 1840 - 1909
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