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Schauen und Sinnen
162 Bücher



Hanns von Gumppenberg
Schauen und Sinnen . 1. Auflage 1913



An das Feuer

Dich vor allen
Deinen Geschwistern
Hab' ich von jeher geliebt,
Feuer, du hohe,
Herrliche Flamme!
Träg und schwer
Lagert die Erde,
Traurig verträumt
Wandert das Wasser
Hin und her
In ziellos kreisender Wiederkehr,
Wirr und leer
Schweift über Wasser und Erde
Die Gauklerin Luft -
Du aber, Flamme,
Starkmütig stolze
Tochter der Sonne,
Himmelan reckst du dich auf,
Hochreißend das Träge
Zu läuterndem Brand,
Das Traurige lösend
In schwebende Schleier,
Das Schweifende bannend,
Bis es dir dient,
In zitternder Demut
Die dürstenden Lippen dir letzt!

Wenn mich Knaben
Hinauf in Gipfeleinsamkeiten
Der Vater geführt,
Wenn uns bei sinkender Nacht
Endlich am Felshang
Die Hütte barg:
Da grüßtest du
An offener Herdstatt
Heidnisch hell
Und heldenhaft
Die junge Seele -
Da saß ich, und schaute
Dein leuchtendes Bild,
Da mahntest du mich,
Zu sein wie du,
Aus Erdendunkel
Und Einsamkeiten
In siegender Kraft
Empor zu lohen,
Leicht und freudig
Und heiß und herzlich,
Empor zur fernen
Heimat der Feuer!

Und wenn ich dann später,
Zerquälter Mann,
Nach Hause gekehrt
In der rastlosen Stadt
Aus kraftmißbrauchender Tagesfron,
Wenn Knechtschaft des Geistes mich würgte
Und Hunger der Seele
Und Ohnmacht wider den Riesenwall
Der Dummheit und Stumpfheit und Niedertracht -
Wenn all mein Ich
Sich wandeln gewollt
In Hohn und Haß und verachtenden Ekel..
Da sah ich dich wieder
Lodern als Nachtgenoß,
Treueste Flamme!
Da schaut' ich in dich,
Ward wieder ich selber,
Ward wieder wie du,
Und reckte mich auf
Und flammte befreit
Und geheiligt, weiß Gott, bis ins Mark
Himmelan!

Dich vor allen
Deinen Geschwistern
Lieb' ich, und werde dich lieben
Bis an mein Ende!
Kann ich dich nimmer empfinden,
Sank ich in müdes
Verglühn zusammen:
Einmal noch gönne mir dann mein Schicksal,
Zu sein, der ich war,
Zu sein wie du,
Aufzuflammen noch einmal im Hochgefühl
Des Wollens, des Könnens -
Und dann zu erlöschen
Schnell und stolz
Wie du, wenn ein Sturmstoß
Gewaltig ins Nichts dich zerschlägt!


  Hanns von Gumppenberg . 1866 - 1928






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