Das Kellerglas

Eine Erinnerung

Es war das Glas - die Tage sind versunken,
Doch leuchten sie wie warmer Himmel Gold -
Das Glas, draus Gottfried Keller nur getrunken ...
Mir botest du's als besten Dichtersold.
Du hast's gefüllt mit einem firnen Weine,
Des Alten wert, den beide wir gekannt,
Auch seine Blume war die selten feine,
Gediehn in einem echten Sonnenland.

Ich trank es leer und schlürfte tiefe Freude -
Der schönkristallne Kelch von ihm geweiht! -
Mein inneres Auge ging auf satter Weide,
Mein lauschend Ohr vernahm ein klar Geläut.
Von Licht und Rosen kam ein Strom geflossen,
Des Lebens starke Lust durchquoll mich ganz ...
Du nahmst das Glas und hast es still verschlossen,
Mir aber war, ich stünd in Gold und Glanz.


  Karl Henckell . 1864 - 1929

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