Pfingstgedicht

O Geist: Du bist des Daseins tiefstgeheimer Grund,
den auch kein Menschenwort umschließen mag.
Dein Sein versingt wohl manches Lied aus Dichtermund:
Du bleibst verborgen selbst dem letzten Tag.

Ein jed Jahrhundert dich mit neuem Namen nennt,
und jedes spiegelt anders Dein Gesicht.
Wer wagt zu sagen, daß er hier die Sonne kennt?
Du aber bist ein noch viel feinres Licht.

Und wie die Sonne einen Jeden sonders grüßt:
die Höhen anders; anders Feld und Tal;
wie sie dem Kranken wärmer seine Wangen küßt
und noch den Kerker streift mit goldnem Strahl,

so spiegelt sich der Geist in Jedem sonderlich,
als Weg dem Jüngling und dem Greis als Ziel;
dem Land als Meer; dem Meer ein Küstenstrich;
den Einen nichts; den Andern wieder viel;

und Einigen - alles... O Du Einer, ewger Geist:
Ich fühle Dich. Dich nennen kann ich nicht.
Nur einmal kam von wo ein Einziger hergereist:
Der trug als Gottglanz Dich in Angesicht.


  Karl Ernst Knodt . 1856 - 1917

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